Full text: [Teil 5 = 7. - 9. Schulj] (Teil 5 = 7. - 9. Schulj)

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5. Gott, laß uns dein Heil schauen, 
auf nichts Vergänglichs trauen, 
nicht Eitelkeit uns freun! 
Laß uns einfältig werden 
und vor dir hier auf Erden 
wie Kinder fromm und fröhlich fein! 
6. Wollst endlich sonder Grämen 
aus dieser Welt uns nehmen 
durch einen sanften Tod! 
Und wenn du uns genommen, 
laß uns in'n Himmel kommen, 
du unser Herr und unser Gott! 
7. So legt euch denn, ihr Brüder, 
in Gottes Namen nieder! 
Kalt ist der Abendhauch. 
Verschon' uns, Gott, mit Strafen, 
und laß uns ruhig schlafen — 
und unsern kranken Nachbar auch! 
Gotthold Ephraim (essing. 2^ 
11. Die Geschichte des alten Wolfes (in sieben Fabeln). 
1. Der böse Wolf war zu Jahren gekommen und faßte den gleißen¬ 
den Entschluß, mit den Schäfern auf einem gütlichen Fuße zu leben. Er 
machte sich also auf und kam zu dem Schäfer,, dessen Horden seiner Höhle 
die nächsten waren. „Schäfer," sagte er, „du nennest mich den blut¬ 
gierigen Räuber, der ich doch wirklich nicht bin. Freilich muß ich mich an 
deine Schafe halten, wenn mich hungert^ denn Hunger tut weh. Schütze mich 
nur vor dem Hunger, mache mich nur satt, und du sollst mit mir recht 
wohl zufrieden sein. Denn ich bin wirklich das zahmste, sanftmütigste 
Tier, wenn ich satt bin." — „Wenn du satt bist, das kann wohl sein," 
versetzte der Schäfer. „Aber wann bist du denn satt? Du und der Geiz 
werden es nie. Geh deinen Weg!" 
2. Der abgewiesene Wolf kam zu einem zweiten Schäfer. „Du weißt, 
Schäfer," war seine Anrede, „daß ich dir das Jahr durch manches Schaf 
würgen könnte. Willst du mir überhaupt jedes Jahr sechs Schafe geben, 
so bin ich zufrieden. Du kannst alsdann sicher schlafen und die Hunde 
ohne Bedenken abschaffen." — „Sechs Schafe?" sprach der Schäfer. „Das 
ist ja eine ganze Herde." — „Nun, weil du es bist, so will ich mich mit 
fünfen begnügen," sagte der Wolf. — „Du scherzest: Fünf Schafe! Mehr 
als fünf Schafe opfere ich kaum im ganzen Jahre dem Pan." — „Auch 
nicht vier?" fragte der Wolf weiter, und der Schäfer schüttelte spöttisch 
den Kopf. — „Drei?^ — „Zwei?"-„Nicht ein einziges," fiel endlich 
der Bescheid. „Denn es wäre ja wohl töricht, wenn ich mich einem Feinde 
zinsbar machte, vor welchem ich mich durch meine Wachsamkeit sichern kann." 
3. „Aller guten Dinge sind drei," dachte der Wolf und kam zu einem 
dritten Schäfer. „Es geht mir recht nahe," sprach er, „daß ich unter
	        
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