Full text: Für das sechste und siebente Schuljahr (Teil 3)

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Da raffle sich die aufs äußerste gequälte Landbevölkerung auf und 
suchte sich selbst zu helfen. Zuerst bewaffneten sich die Bauern am Dröm- 
ling; ihnen folgten die um Salzwedel, dann die bei Calbe und an der 
Biese unter dem Freischulzen Stappenbeck in Jeetze und später auch die 
Bauern im Stendaler Bezirk. Sie bildeten Abteilungen zu Pferde und 
zu Fuß unter Führern, die sie sich selbst gewählt hatten, warfen Ver¬ 
schanzungen auf und besetzten die Strecke von Mechan bis an die Biese 
so stark, daß man sie nicht anzugreifen wagte. Unbarmherzig machten 
sie alle umherschweifenden Soldaten nieder, die in ihre Hände fielen. 
Während früher vier oder fünf Reiter ein ganzes Dorf geplündert hatten, 
mußten jetzt ganze Kompanien einer ergrimmten Bauernschaft weichen. 
Wiederholt griffen sie auch die Truppen auf dem Marsche an und nahmen 
ihnen sogar Geschütze fort. 
2. Als der Krieg zu Ende ging, war die Altmark ein völlig verarmtes 
und beinahe menschenleeres Land. Stendal hatte beim Beginn des Krieges 
etwa 1300 Wohnhäuser, im Jahre 1670 nur noch 500; in Seehausen 
zählte man nach dem Kriege nur noch 124 Bürger. Die schrecklichsten 
Tage hat Osterburg unter allen Städten der Altmark gesehen. Die Stadt 
ist fünfmal geplündert worden und hat mehrere Male wochenlang völlig 
leer und öde gestanden, und noch im Jahre 1680 waren in der Stadt 
erst 61 Häuser wieder bewohnt. 
Weit mehr als in den Städten hatte die Bevölkerung auf dem platten 
Lande abgenommen. In den Dörfern war kaum der zehnte Teil der 
Bevölkerung übriggeblieben, und manche Ortschaften waren so entsetzlich 
verwüstet, daß es schien, als hätten dort seit hundert Jahren keine Leute 
gewohnt. Die Acker, über die viele Jahre kein Pflug gegangen war, 
waren mit Fichten und wildem Gesträuch bewachsen. Zahlreiche Wölfe 
streiften im Lande umher, und wo noch ein Haustier den raubenden und 
plündernden Soldaten entgangen war, wurde es von den Wölfen in den 
Ställen angefallen und getötet. Im Dezember 1645 drang bei starkem 
Frost ein Wolf sogar mitten in die Stadt Stendal, entkam aber, trotz 
der Verfolgung durch die Bürger, auf dem Eise. 
Wenn wir den überaus trostlosen Zustand bedenken, in welchem der 
Dreißigjährige Krieg das Land zurückließ, müssen wir uns wundern, daß 
schon ein Vierteljahrhundert später der Große Kurfürst einen siegreichen 
Krieg gegen die Schweden führen konnte. Das ist gewiß ein deutlicher 
Beweis von der Kraft des märkischen Volksstammes und von der Weis¬ 
heit und Fürsorge seines Herrschers. 
Nach L. Götze (Gesch. d. Stadt Stendal) und 
W. Zahn (d. Altmark im 30jähr. Kriege).
	        
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