Full text: Für das sechste und siebente Schuljahr (Teil 3)

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2. Die Flöße der Isar werden an den Holzplätzen des obern Flu߬ 
laufes zusammengestellt. Sie sind immer nur kurz gebaut, aber aus starken 
Stämmen. Für die Arbeit der Flößerei ist in den grünen, langgestreckten 
Tälern des sogenannten ,Zsarwinkels" ein Geschlecht von Bergbewohnern 
herangewachsen, wie es im ganzen Alpenland nicht stattlicher und schneidiger 
gefunden werden kann: Männer von riesiger Gestalt mit braunen, sehnigen 
Gliedern, malerischer Tracht und wehenden Hahnenfedern auf den Spitz¬ 
hüten. Es sind jene Menschen, die nicht nur die kühnsten Floßfahrer sind, 
sondern auch in allen Kriegen, die Bayern zu führen hatte, die verwegensten 
Kämpfer gestellt haben. 
Sind die Flöße zusammengestellt, was wegen der schweren, rollenden 
Stämme, mit denen dabei hantiert werden muß, eine keineswegs gefahrlose 
Arbeit ist, da sie im rasch fließenden Wasser getan werden muß, so werden 
sie noch mit einer Ladung von Brennholz, Brettern und anderm Bau¬ 
material versehen. Manche gehen auch ohne Ladung, bloß als Bauholz. 
Am vorderen und am hinteren Ende des Floßes ist ein rohes, mächtiges 
Steuerruder befestigt,- an jedem dieser Ruder steht einer jener kraftvollen 
Jsarwinkler Bergmenschen, um das schwere und ungefüge Fahrzeug durch 
die tosenden Stromschnellen zu lenken, die es oft genug mit einem solchen 
Wasserschwall überfluten, daß die Lenker bis an das Knie in den Wellen stehen. 
Passagiere werden auf den Flößen seltener; diese Art des Reifens ist zu 
naß für die verwöhnte Menschheit geworden. Ehedem konnte man von München 
bis Wien um vier Gulden auf dem Floß fahren, mußte aber unter Umständen 
selbst mithelfen, das Floß flottzumachen, wenn es sich etwa auf einer Kies¬ 
bank festgefahren hatte. Das kann um so leichter trotz der Tüchtigkeit 
der Steuerleute geschehen, da das Fahrwasser des Stromes sich beständig 
ändert. Hie und da fährt noch ein armer Teufel mit, dem das Geld für 
anderes Reisen ausging, oder ein paar lustige Studenten, denen es Spaß 
macht, sich von Jsarwellen ein paar Stunden lang übersprühen zu lassen. 
3. Die Flößer führen stets einen Vorrat von losen Holzscheiten mit 
sich. Der gehört für arme Kinder, die, wenn die Flußfahrt im Gange ist, 
an den Ufern stehen, um Holz zu erbetteln. Schallt die bittende Kinder¬ 
stimme über den Fluß, dann ergreift der Flößer eins der Scheite und 
läßt es als Wurfgeschoß im weiten Bogen ans Ufer sausen. Die Kleinen 
aber fteuen sich und ziehen mit ihrer Beute vergnügt nach Hause. 
Vor wenigen Jahrzehnten noch gingen viele Flöße durch München 
hindurch, und es war für die Spaziergänger auf den Münchener Brücken 
ein landesübliches Vergnügen, das Anlanden der ungefügen Holzfahrzeuge 
zu betrachten 
Jetzt ist der Landeplatz etwa eine Stunde oberhalb Münchens. Da 
kann man auf breiten Kiesbänken zwischen den hohen, bewaldeten Strom-
	        
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