Full text: Für das sechste und siebente Schuljahr (Teil 3)

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er habe nichts gefunden, sondern vielmehr etwas hineingelegt, nämlich seine 
Pantoffel. Vergebens grub er sie wieder aus und legte sie selbst vor 
Gericht als Beweis vor; der Statthalter hatte sich auf Geld gefaßt gemacht, 
und Kasem mußte sich abermals mit einer großen Summe lösen. 
Voll Verzweiflung ging er vom Statthalter weg, seine teuren Pan¬ 
toffel in der Hand, und verwünschte sie von ganzem Herzen. „Warum", 
sprach er, „soll ich sie noch mir zum Schimpfe in den Händen tragen?" 
Mit diesen Worten warf er sie nicht weit von des Statthalters Palaste 
in eine Wafferleitung. „Nun werde ich", sprach er, „nichts wieder von 
euch hören, nachdem ihr mich so viel gekostet habt." Aber die Pantoffel 
wurden gerade in die verschlämmte Röhre der Wasserleitung hineingetrieben. 
Nur noch dieses Zusatzes bedurfte es. Nach einigen Stunden stand das 
Waffer still, es trat über, und sogar des Statthalters Gewölbe ward über¬ 
schwemmt. Überall war Angst und Verwirrung, und die Brunnenmeister 
wurden zur Verantwortung gezogen Diese untersuchten die Wasser¬ 
leitungen. Zu ihrem Glücke fanden sie die Pantoffel in dem von ihnen 
vernachlässigten Schlamme und konnten sich damit rechtfertigen Der Herr 
der Pantoffel aber ward in Haft genommen. Weil man glaubte, er 
habe sich an dem Statthalter rächen wollen, mußte er mit einer noch 
größern Geldstrafe büßen, als die beiden vorigen waren. Seine Pan¬ 
toffel aber wurden ihm wiedergegeben. 
2. „Was soll ich nun mit euch tun," sprach Kasem, „ihr verwünschten 
Pantoffel? Ihr kommt immer mit größerem Verluste für mich wieder; 
jetzt soll euch die Flamme verzehren. Weil ihr aber", fuhr er fort und 
wog sie in seinen Händen, „so ganz mit Schlamm erfüllt und mit Wasser 
getränkt seid, so muß ich euch noch das Sonnenlicht gönnen und euch auf 
meinem Dache trocknen; denn euch in mein Haus zu bringen, werde ich 
mich wohl hüten." Mit diesen Worten stieg er auf das platte Dach seines 
Hauses und legte sie daselbst nieder. Aber das Unglück hatte noch nicht 
aufgehört, ihn zu verfolgen; ja, der letzte Streich war der grausamste von 
allen. Ein Hund seines Nachbars ward die Pantoffel gewahr. Er sprang 
von dem Dache seines Herrn auf das Dach Kasems und spielte mit ihnen, 
indem er sie umherzerrte. So hatte er den einen bis an den Rand des 
Daches geschleppt, und es bedurfte nur noch einer kleinen Berührung, da 
fiel der schwere Pantoffel einer Frau, die eben unter dem Hause vorbei¬ 
ging und ein Kind trug, gerade auf den Kopf. Sie fiel nieder, und das 
Kind stürzte aus ihren Armen auf die Steine. Ihr Mann brachte seine 
Klage vor den Richter, und Kasem mußte härter büßen, als er je gebüßt 
hatte; denn sein Pantoffel hatte beinahe zwei Menschen erschlagen. Als 
ihm dies Urteil verkündigt ward, sprach Kasem mit einer Ernsthaftigkeit, 
die den Kadi selbst zum Lachen brachte: „Richter der Gerechtigkeit, alles
	        
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