Full text: [Teil 3a = 7. u. 8. Schulj] (Teil 3a = 7. u. 8. Schulj)

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58. Der Sänger. 
„was hör' ich draußen vor dem Tor, 
was auf der Brücke schallen? 
Laß den Gesang vor unserm Ohr 
im Saale widerhallen!" 
Der König sprach's, der Page lief; 
der Knabe kam, der König rief: 
„Laßt mir herein den Alten!" 
2. „Gegrüßet seid mir, edle bserrn, 
gegrüßt ihr, schöne Damen! 
welch reicher Pimmel! Stern bei 
Stern! 
wer kennet ihre Namen? 
Im Saal voll Fracht und Herrlichkeit 
schließt, Augen, euch; hier ist nicht 
Zeit, 
sich staunend zu ergötzen." 
5. Der Säuger drückt' die Augen ein 
und schlug in vollen Tönen; 
die Kitter schauten inutig drein, 
und in den Schoß die Schönen. 
Der König, dem das Lied gefiel, 
ließ, ihn zu ehren für sein Spiel, 
eine goldue Kette reichen. 
„Die goldne Kette gib mir nicht, 
die Kette gib den Kittern, 
vor deren kühnem Angesicht 
der Feinde Lanzen splittern; 
gib sie dein Kanzler, den du hast, 
und laß ihn noch die goldne Last 
zu andern Lasten tragen. 
5. Ich singe, wie der Vogel singt, 
der in den Zweigen wohnet; 
das Lied, das aus der Kehle 
dringt, 
ist Lohn, der reichlich lohnet. 
Doch darf ich bitten, bitt' ich eins: 
Laß mir den besten Becher Weins 
in purem Golde reichen." 
6. <§r setzt' ihn an, er trank ihn aus: 
„O Trank voll süßer Labe! 
O wohl dem hochbeglückten Paus, 
wo das ist kleine Gabe! 
Ergeht's euch wohl, so denkt an mich 
und danket Gott so warm, als ich 
für diesen Trunk euch danke." 
Ioh. LLolfg. v. Goethe. 
59- Vertrau de Dorn. 
Droben auf dem schroffen Steine 
raucht in Trümmern Autafort, 
und der Burgherr steht gefesselt 
vor des Königs Zelte dort: 
„Kanist du, der mit Schwert und Liedern 
Aufruhr trug von Ort zu Ort, 
der die Kinder aufgewiegelt 
gegen ihres Vaters Wort? 
2. Steht vor mir, der sich gerühmet 
in vermess'ner Prahlerei, 
daß ihm nie mehr als die pälfte 
seines Geistes nötig sei? 
Nun der halbe dich nicht rettet, 
ruf den ganzen doch herbei, 
daß er neu dein Schloß dir baue, 
deine Ketten brech' entzwei!"
	        
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