Full text: [Teil 3a = 7. u. 8. Schulj] (Teil 3a = 7. u. 8. Schulj)

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25. Das heidehaus. 
1. Eine gute Wegstunde von dem Rotzberge stand ein Haus oder 
vielmehr eine weitläufige Hütte. Sie stand am Rande der Heide, weit¬ 
ab jeder Stratze menschlichen Verkehrs; sie stand ganz allein, und das 
Land um sie war selber wie eine Heide, nur anders als die, auf der 
der Lnabe Felir die Ziegen hütete. Das Haus war ganz aus Holz. 
faßte zwei Stuben und ein Hinterstübchen, alles mit mächtigen braun¬ 
schwarzen Tragebalken, dran manch Festkrüglein hing, mit schönen Trink¬ 
sprüchen gemalt. Die Fenster, licht und geräumig, sahen auf die Heide, 
und das Haus war umgeben von dem Stalle, Schuppen und der Scheune. 
- Es war auch ein Gürtlein vor demselben, worin Gemüse wuchs, ein Ho¬ 
lunderstrauch und ein alter Apfelbaum standen — weiter ab waren noch 
drei Kirschbäume und unansehnliche Pflaumensträuche. Ein Brunnen floß 
vor dem Hause, kühl, aber sparsam; er floß von dem hohen, starken 
Holzschafte in eine Kufe nieder, die aus einem einzigen Heidesteine ge¬ 
hauen war. 
2. In diesem Hause war es sehr einsam geworden; es wohnten nur 
ein alter Vater und eine alte Mutter darinnen und eine noch ältere 
Großmutter — und alle waren sie traurig; denn er war fortgezogen, 
weit in die Fremde, der das Haus mit seiner jugendlichen Gestalt belebt 
hatte, und der die Freude aller war. 
Freilich spielte noch ein kleines Schwesterlein an der Türschwelle, aber 
sie war noch gar zu klein und noch zu töricht; denn sie fragte wenig, 
wann der Bruder Felir wiederkommen werde. Weil der Vater Feld und 
Wiese besorgen mutzte, so war ein andrer Ziegenknabe genommen worden; 
allein dieser legte auf der Heide Vogelschlingen, trieb immer sehr frühe 
nach Hause und schlief gleich nach dem Abendessen ein. Alle Wesen aus 
der Heide trauerten um den schönen, lockigen Knaben, der von ihnen 
fortgezogen. 
3. Es war ein traurig schöner Tag gewesen, an dem er fortgegangen 
war. Sein Vater war ein verständig stiller Mann, der ihm nie ein 
Scheltwort gegeben hatte, und seine Mutter lieble ihn wie ihren Augapfel. — 
Von seinen Eltern hatte er keinen Widerstand zu erfahren, als er den 
Entschluß aussprach, in die Welt zu gehen weil er durchaus nicht mehr 
zu Hause zu bleiben vermöge. 
Roch eine Person mutzte gefragt werden, nicht von den Eltern, von 
ihm, die Großmutter. Er liebte sie zwar nicht so wie die Mutter, sondern 
ehrte und scheute sie vielmehr. Weit über die Grenzen des menschlichen 
Lebens schon hinausgeschritten, saß sie wie ein Schatten hinten am Hause 
ini Garten an der Sonne, ewig einsam und ewig allein in der Gesellschaft 
ihrer Toten und zurückspinnend an ihrer innern, ewig langen Geschichte.
	        
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