Full text: Neue und neueste Geschichte (Theil 3)

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zu sich kommen und wies sie 7trt oft derber Weise zurecht. Be¬ 
sonders die Faullenzer und Tagediebe konnte er nicht leiden, und 
wenn der König kam, arbeiteten gewiß alle, welche in seinem Ge¬ 
sichtskreise waren, viel emsiger. Die Berliner suchten sich, so viel 
als möglich, seinen Blicken zu entziehen. Einst lief auch einer, 
der den König daherkommen sah, vor ihm davon; der König aber 
holte ihn ein und fragte: „Warum läufst du?" „Weil ich mich 
vor Ew. Majestät fürchte!" war die Antwort. Voll Zorn über 
diese Antwort rief der König aus: „Ihr sollt mich nicht fürchten, 
ihr sollt mich lieben!" und dabei bläute er dem Flüchtling den 
Rücken. 
Abends nach Beendigung der Geschäfte, etwa um fünf oder 
sechs Uhr, begab sich der Köuig in seine Abendgesellschaft, das 
Tabakseolleginrn. Zu derselben lud er Generäle, Stabs- 
offictere und Minister; die Unterhaltung mußte möglichst frei und 
ungezwungen fein; der König galt nicht als König, sondern als 
Oberst. Für jeden Gast war eine Pfeife vorhanden, in einem 
geflochtenen Körbchen stand Tabak auf dem Tische; der König 
liebte es, wenn alle rauchten, wer nicht rauchte, mußte wenigstens 
eine Pfeife in den Mund nehmen. Vor jedem Gast stand ein 
Krug mit Bier, auf einem Nebeutifche stand ein Topf mit Butter, 
daneben Brot, Schinken und Braten. Damit die Unterhaltung 
möglichst zwanglos bleibe, hatte kein Diener Zutritt; jeder An¬ 
wesende mußte sich selbst bedienen. Die Unterhaltung selbst er¬ 
streckte sich auf allerlei Gegenstände; der König sprach von seinen 
Absichten und Plänen, von allerlei Personen und Sachen; jeder 
durfte und sollte feine Ansichten frei und offen äußern; hier 
konnte der Köuig auch Widerspruch ertragen. Diese Gelegenheit 
benutzten denn auch die Generäle und Minister, ja selbst fremde 
Gesandte, um dem König Dinge zu sagen oder manches von ihm 
zu erlangen, dessen man sich sonst nicht getraute. In dem Tabaks¬ 
collegium sind viele wichtige Angelegenheiten berathen und be¬ 
schlossen worden. Neben der ernsten Unterhaltung gab es auch 
Scherze, ja derbe Späße; es wurden allerlei Schnurren erzählt, 
treffende Witze aufgetischt, und jeder mußte sich einen Scherz mit 
feiner Person gefallen lassen. 
g. Kriege unter Friedrich Wilhelm I Bald nach dem Re¬ 
gierungsantritt Friedrich Wilhelm's wurde der Friede zu Utrecht 
geschlossen, durch welchen der spanische Erbfolgekrieg zum Theil 
beendet wurde. Preußen erhielt in diesem Frieden das Herzog-
	        
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