Full text: Für den Unterricht in Mittelklassen berechnet (Kursus 2)

176 Neue Geschichte. 
genossen, an den deutschen Fürsten wider Gewohnheit rasche Helfer und an dem 
Herzog Karl von Lothringen ^ einen trefflichen Führer seines Heeres. 
Im Frühlinge des Jahres 1683 führte der Großwesir Mnstapha ein 
Mustapha H^r von 200000 Mann durch Ungarn auf Wien los. Bestürzung und 
ti°1683en ArlB erfüllten die Stadt. Der Kaiser flüchtete nach Linz2, viele Einwohner 
folgten; die anderen aber waffneten sich zur Gegenwehr, und die Langsamkeit der 
Karl ü. Türken, die sich mit Plünderung der Ortschaften aufhielten, verstattete dem 
Lothringen. Herzog von Lothringen, 12 000 Mann als Besatzung in die Stadt zu werfen. 
Stahrem- " Der Graf Rüdiger von Stahremberg war Befehlshaber der Stadt 
berg. und suchte dieselbe in Eile so gut als möglich in Verteidigungsstand zu 
setzen. Wer arbeiten konnte, half. Im Juli erschienen die Türken vor der 
Stadt und schlössen dieselbe ein. Nach zwei Tagen schon eröffnete der Wesir 
die Laufgräben: bald ertönte der Donner der Geschütze, und vor allem 
gruben die Feinde Minen, um die Mauern in die Luft zu sprengen. Allein 
die Verteidiger hielten sich tapfer; was niedergeworfen war, wurde in der 
Nacht wieder ausgebessert; jeder Schritt wurde aus das tapferste verfochten. 
Dennoch gewannen die Türken allmählich an Raum: Ende August hatten 
sie sich in dem Stadtgraben festgesetzt, und am 4. September ließen sie eine 
Mute unter der Burgbastei springen. Die entstandene Lücke war so groß, 
daß die Feinde Sturm lausen konnten; dreimal wurden sie zurückgeschlagen; 
noch hielt die Tapferkeit der Besatzung stand. Als aber eine neue Mine 
unter der Bastei sich entladen hatte, da stieg die Gefahr aufs höchste. Graf 
Stahremberg fandte Boten auf Boten an den Herzog von Lothringen. Endlich 
am 11. September sahen die Wiener an den Bewegungen im feindlichen 
Lager, daß Hilfe nahe fei; abends 5 Uhr erschienen die christlichen Kriegs¬ 
völker auf dem Kalenbergs und thaten ihre Ankunft durch Kanonenschüsse 
Sobiesky kund. Der König Sobiesky, die Kurfürsten von Sachsen (Johann Georg III.3) 
und Baiern (Maximilian II. Emannel) waren mit frischen Truppen ange¬ 
kommen. Nun konnte es Karl von Lothringen wagen, gegen den Feind zu 
ziehen;" doch war sein Heer nur 46 000 Mann stark. 
Schon tags darauf (12. September 1683) verschritt der Herzog von 
Lothringen zum Angriff. Jeder Hohlweg, jeder Schutthaufen wird von den 
Sieg über Türken verteidigt; aber der christlichen Tapferkeit vermögen die Moslemms 
die Türken. n^t ,u widerstehen: um 6 Uhr abends ist der Sieg entschieden; die Türken 
stürzen in wilder Flucht nach Raab 2 zu. Ihr ganzes Lager, die Kriegs- 
fasse, das Prächtige Zelt des Großwesirs fallen in die Hände der Sieger. 
Das erlöste Volk sandte innige Dankgebete zum Himmel, und die Namen 
Sobiesky, Lothringen und Stahremberg waren in aller Munde. — Auch hatten 
die Österreicher Ursache, für ihre Errettung dankbar zu fein; denn der furcht¬ 
bare Feind wüstete nicht allein nach gewöhnlicher Kriegsweise, sondern schleppte 
Menschen ohne Unterschied als Sklaven mit sich fort. 
Ärger Lud- Ganz Europa nahm an der Rettung Wiens den lebhaftesten Anteil, nur 
wigdesxiv. ^dwig XIV. empfand darüber großen Verdruß. Er hatte die Türken mit 
1 Herzog Karl, dem Lothringen (S. 110) 1669 als Erbe gefalle»»« wmde 
von Ludwig 'dem XIV. seines Landes beraubt und trat hierauf m kaiserliche Dienste. 
2 Linz. Stadt am rechten Donauufer, im Erzherzogtum Österreich. — Der 
Kalenberg. Bergzug nördlich von Wien. - Raab, ungarische Stadt südöstlich von- 
Wien, an der Mündung der Raab in die Donau. 
- Johann Georg III. (1680-1691) hatte zum Großvater Johann Georg den I. 
(S. 150 Anm. 2.) und zum Vater Johann Georg den II. (1656—1680).
	        
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