Full text: Schreib- und Lesefibel

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tretung des Volkes beim Bundestage. 4. Freiheit der Presse und der 
Vereine. 5. Öffentliche Gerichtsverhandlungen und Teilnahme des Volks 
an der Rechtsprechung. 6. Verminderung des stehenden Heeres und Er¬ 
richtung einer Bürgerwehr. 
Der Ausbruch der Bewegung und der Berliner Märzaufstand. Die 
Erregung und Bewegung wurde stärker und stärker; aber weder König 
Friedrich Wilhelm IV., noch ein anderer der deutschen Fürsten gab nach. 
Da traf zu Ende des Februar von 1848 die Nachricht ein, daß in Paris 
die Revolution ausgebrochen sei. Das französische Volk hatte seinen König 
gestürzt und verjagt und die Republik ausgerufen. Da brach auch in 
Deutschland der Aufruhr allenthalben los. Metternich mußte abdanken und 
aus Wien flüchten. 
Auch zu Berlin hatten Volkszufammenläufe stattgefunden. Schon 
fielen blutige Zusammenstöße zwischen Militär und Bürgern vor, da gab 
Friedrich Wilhelm nach. Am 18. März 1848 befahl er eine neue Ein¬ 
berufung des Vereinigten Landtags, der eine Verfassung und zugleich die 
Umgestaltung Deutschlands beraten solle. Schon wollte die Menge sich zer¬ 
streuen, da gingen plötzlich zufällig einige Gewehre in den Reihen des vorm 
Schlosse stehenden Militärs los, ohne übrigens jemand zu verletzen. Das 
wurde von den Bürgern falsch aufgefaßt. Alles schrie: „Wir sind verraten! 
Man schießt auf uns!" und stob auseinander. Die Bürger eilten zu den 
Waffen, rissen das Straßenpflaster auf und türmten die Pflastersteine aus¬ 
einander, stürzten Wagen um, rollten Fässer herbei und bauten überall 
Straßensperren (Barrikaden). Nun ließ der König seine Garden, Reiter und 
Kanonen vorrücken. Die Glocken heulten Sturm; die Kartätschen krachten 
gegen die Steinwälle, und das Gewehrfeuer knatterte. Bis in die sinkende 
Nacht hinein dauerte der Kampf. Viele Soldaten und Bürger kamen um. 
Alles stürmte auf den König ein, die Soldaten zurückzuziehen. Endlich gab 
er nach. Am Morgen zogen die Truppen aus Berlin hinaus, und die be¬ 
waffnete Bürgerwehr stellte rasch die Ordnung wieder her. 
Friedrich Wilhelm war tief erschüttert. Er verabschiedete sofort sein 
konservatives Ministerium und berief ein liberales. Bald darauf erließ er 
eine Proklamation an die Berliner, in der er versprach, alle Forderungen 
des Volkes zu bewilligen. 
Die beiden Nationalversammlungen und die Unterdrückung der Be¬ 
wegung in Preußen. Unterdes war bereits ein deutsches Vorparlament, 
d. h. liberale Abgeordnete zu einem vorbereitenden Reichstage, zu Frank¬ 
furt am Main zusammengetreten. Ohne sich um den Bundestag und die 
Regierungen zu kümmern, schrieben diese Männer die Wahlen zu einer 
Nationalversammlung für Deutschland und alle außer dem Bund liegende 
Teile von Preußen und Österreich-Ungarn aus. An 600 Abgeordnete traten 
im Mai 1848 in der Paulskirche zu Frankfurt zusammen. Als Präsident 
wurde Heinrich von Gagern (später Eduard Simson) gewählt. Die 
Versammlung ernannte bis zur Kaisermahl einen Reichsverweser, den 
Erzherzog Johann, jüngsten Bruder des verstorbenen Kaisers Franz, und 
der Bundesrat trat ab. Der Erzherzog bildete ein Reichsministerium, 
das alsbald anfing, Gesetze für das ganze Reich zu erlassen, und die deutsche 
Nationalversammlung begab sich sofort an die Beratung einer Reichsverfassung,
	        
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