Full text: [Bd. 3 A = Oberstufe für Knaben, (7. - 9. Schulj.)] (Bd. 3 A = Oberstufe für Knaben, (7. - 9. Schulj.))

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wie leicht sie einer geringen Anstrengung nachgeben und den Abhang 
hinabstürzen. Aber kein Lärm wird gehört, während sie Hinabrollen, 
kein Echo wird von den Felswänden zurückgeworfen. Es herrscht 
Totenstille ans dem Monde. Tausend Trommeln könnten in dieser 
luftleeren Welt geschlagen, tausend Kanonen abgefeuert werden — 
und nicht der geringste Schall wäre zu hören. Lippen könnten sich 
bewegen, Zungen könnten zu sprechen versuchen — sie würden aber 
nicht imstande sein, die ewige Stille zu brechen. 
Außer den Tausenden von Sternen und der strahlenden Sonne 
steht auf dem schwarzen Himmel noch ein sonderbarer Himmels¬ 
körper. Als der Morgen begann, stand dieser mondähnliche Körper 
auf dein Himmel wie ein großer Halbmond. Während die Vor¬ 
mittagsstunden vorgeschritten sind, haben wir ihn fortwährend auf 
demselben Platze des Himmels gesehen; er ist aber nach und nach 
schmaler geworden, wie die Sonne höher und höher stieg, und er 
bildet nun, da die Sonne in seine Nähe gekommen ist, nur einen 
ganz schmalen Lichtbogen, genau wie der Mond kurz vor Neu¬ 
mond. 
Was ist das für ein unbekannter Körper, den wir nie auf dem 
Himmel der Erde gesehen haben? Es ist die Erde selbst! Auf 
der Erde haben wir uns oft eingebildet, der Mond sei der Diener 
der Erde, dazu bestimmt, seine Laterne für uns während der Nacht 
zu halten. Lächerliche Eitelkeit! Hier auf dem Monde sehen wir, 
daß unsere stolze Erde dazu herabgedrückt ist, der Mond des 
Mondes zu sein. 
Neunundzwanzigmat langsamer als auf der Erde kürzen sich 
die Schatten, bis die Sonne ihre größte Höhe erreicht. Dann ist es 
Mittag auf dem Monde. Auf allen Seiten, den schwarzen Himmel 
ausgenommen, sehen wir jetzt nichts als blendende Klarheit. Die 
Nachmittagsschatten kommen nur langsam, träge legt die Dunkelheit 
sich über die Täler und kriecht mit abgemessenen Schritten die Berg¬ 
abhänge hinauf. Endlich, 175 Stunden nach Mittag, 350 Stunden 
nach dem Anfange des Morgens, nähert sich die Zeit des Sonnen¬ 
unterganges. Der Untergang der Sonne wird von keiner Abend¬ 
röte begleitet. Die Sonne nähert sich dem dunklen Gesichtskreise, 
ohne das geringste von ihrem Glanze zu verlieren. Ihre Scheibe 
berührt den Horizont, ihre Farbe aber bleibt unverändert. Die kurz 
dauernde Dämmerung tritt nur dann ein, wenn nur eben der obere 
schmale Bogen der Sonnenscheibe sichtbar ist. Und gleich darauf 
breitet sich der Nachthimmel über die Landschaft aus. Dieser An¬ 
blick ist sicher das Schönste, was ein Aufenthalt auf dem Monde 
darbietet.
	        
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