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Hoch oben auf dem sternenbesetzten Himmel strahlt die Erde
wie ein gewaltiger Mond, mit einer dreizehnmal größeren Fläche,
als uns die Mondscheibe erscheint. Wenn die Nacht anfängt, ist
die Erde halb erleuchtet wie der Mond im ersten Viertel; im Laufe
der Nacht wächst sie aus ihrer Halbmondsform heraus, bis sie um
Mitternacht voll erleuchtet ist. Wenn der Morgen sich nähert, nimmt
die Erdscheibe nach und nach ab, und bei Sonnenaufgang zeigt sie
sich wieder halb erleuchtet, nun wie der Mond im letzten Viertel.
Während der Nacht dreht die Erde sich vierzehnmal um ihre Achse
und zeigt dabei ebensoviel mal alle Teile ihrer Oberfläche, ihre
Meere, Festländer und Inseln. Während der ganzen Mondnacht,
und überhaupt zu jeder Zeit, steht die Erde so gut wie unbeweg¬
lich auf demselben Punkte des Himmels. Weil der Mond immer
dieselbe Seite der Erde zukehrt, so wird man auf dem Monde stets
die Erde einen und denselben Platz am Himmel einnehmen sehen.
Die Sonne, die Planeten und alle andern Sterne gehen auf dem
Monde alle vierzehn Tage einmal aus und unter; die Erde allein
steht ruhig auf ihrem Platze, sie geht weder auf noch unter.
Die Sterne auf dem nächtlichen Himmel des Mondes sehen
wir in ganz denselben Stellungen, die wir von der Erde aus kennen.
Wir finden sowohl den Wagen als das Siebengestirn unverändert.
Die Sterne aber funkeln nicht wie ans der Erde, denn dieses Fun¬
keln rührt nur von der Atmosphäre der Erde her. Ganz bis zum
Horizonte hinab strahlen die Sterne mit ungeschwächtem Glanze; der
Erdschein verlöscht weder den schwachen Lichtgürtel der Milchstraße,
noch verhindert er, daß selbst die kleinsten Sterne gesehen werden
können. Und eins fehlt auch dein Nachthimmel des Mondes; nie fährt
eine Sternschnuppe über den dunklen Grund, nie unterbricht das
schnelle Auflodern einer Feuerkugel die Ruhe des Firmaments.
Ringsumher ist die Landschaft von dem Schein der Erde hell
erleuchtet, dreizehnmal stärker, als wir auf der Erde den Vollmond
leuchten sehen. Wir sehen den Fuß des Ringwalles, den Boden des
Kraters, naheliegende und ferne Gegenstände mit gleicher Deutlich¬
keit; kein Nebel beschränkt die Aussicht, keine Wolke verschleiert das
Erdlicht. Wir nehmen das Fortschreiten der Nacht dadurch wahr, daß
wir einzelne Sternbilder im Osten langsam aufgehen sehen, während
andere im Westen langsam untergehen; wir beobachten es aber noch
deutlicher durch das allmähliche Abnehmen der Erde. Wir sehen,
daß sie sich siebenmal um sich selbst dreht, ehe sie von der kreis¬
runden zu der Halbmondsform übergegangen ist. Die dunkle Hälfte
leuchtet mit einem schwachen Schimmer, ein Widerschein von dem
Lichte, das der Mond auf die Erde wirft.