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eine Tropfen lebendige Wesen enthält? Unsere Erde ist ein Tropfen
im großen Ozean der Welten; wagen wir zu behaupten, daß sie die
einzige ist, auf der Gott Geschöpfe wohnen läßt, weil sie die einzige
ist, die wir kennen?
Unsere Sonne weckt tausendfach, millionenfach auf unserm
Planeten Leben, unbegreifliches Leben, und doch beweisen uns die
Gelehrten, daß das, was wir spüren, noch nicht ein Tausendstel ihrer
Wärme ist; sollte die Sonne nicht auch hier ein Sinnbild ihres
Schöpfers sein, der uns alle mit seiner unendlichen Liebe hegt und
trägt und doch noch unendlich viel Liebe übrig hat? „Herr, deine
Güte reicht so weit, soweit die Wolken gehen!"
Die Himmel erzählen die Ehre Gottes! Ja wahrhaftig, die
Himmel reden für jeden, der nur ein Ohr hat zu hören! Es wird
einmal eine Zeit kommen, früher oder später, und vielleicht beginnt
sie schon jetzt, da wird man es gar nicht begreifen können, daß
Menschen das alles haben ansehen können und doch das Dasein
Gottes kühn in Abrede stellen! Daß sie das alles haben täglich
sehen können, ohne sich von der Größe des verborgenen Schöpfer¬
geistes überwältigt zu fühlen! Einst, so erzählen uns die Evan¬
gelien, war eine heilige Nacht, da sangen die Engel: „Ehre sei
Gott in der Höhe!" Jede Nacht, wo das Sternenheer über unsern
Häuptern dahinzieht, ist auch eine heilige Nacht; Abend für Abend
hebt über dieser unserer kleinen Erde ein wunderbarer himmlischer
Lobgesang an: „Ehre sei Gott in der Höhe!" Und aus allen
Tiefen sprechen tausend Stimmen: „Ehre sei Gott in der Höhe!"
Aber ist der Anblick dieser Herrlichkeit nicht allzu nieder¬
drückend? Viele hochgesinnte Menschen haben so empfunden. Was
ist mein kurzes Leben gegen diese Jahrmillionen! Was bedeute ich,
was bedeutet all mein Tun und Treiben, sei es gut oder böse, in
diesem ungeheuren Weltall mit seinen Tausenden von Welten! Eines
wird uns jedenfalls unwiderleglich klar: unser Stolz, der sich
schmeichelt, als ob auf uns so sehr viel ankomme, als ob wir so
furchtbar wichtig seien, unsere Eitelkeit, die am liebsten möchte, daß
das ganze Weltall sich um unser eigenes liebes Ich dreht, das alles
bricht unrettbar zusammen vor diesem Anblick da droben! Die
Himmel verkünden die Ehre Gottes, aber sie verkünden auch uner¬
müdlich und unerbittlich die Kleinheit des Menschen! —
Laßt mich das euch an zwei Erlebnissen anschaulich machen.
Ich weiß noch recht gut, wie ich einmal eine schwere Aufgabe vor
mir hatte, der ich zu unterliegen fürchtete, um so mehr, als ich
mich körperlich elend fühlte. Da ging ich hier über unsern Nürn¬
berger Marktplatz. Wie zufällig schweifte mein Blick empor. Ein
einziger Stern stand am Himmel, aber dieser Stern traf mich in
diesem Augenblick wie ein Blick des himmlischen Vaters. Es war,
als ob er mir eigens eine Botschaft auszurichten hätte. — „Du
bist ein einziges kleines Lebewesen auf einem winzigen Stern des