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in voller Flucht den Wäldern zueilten. Die langen Linien der
preußischen Reiterei entwickelten sich mit lustig flatternden
Standarten. Ihre reitende Artillerie bewegte sich vorwärts und
ließ ihren Feuerschlünden weiße Rauchwolken entsteigen.
Während die Sonne am westlichen Himmel versank, loder¬
ten an den verschiedensten Stellen der Ebene die züngelnden
Flammen auf. Da befahl der königliche Sieger, das Feuer
gegen das flüchtende Heer einzustellen. Der Greis dachte in
seinem allzeit milden und gerechten Sinne, daß es zwecklos
und unchristlich sei, die völlig Überwundenen wehrlos hinzu¬
schlachten. Und mehr! Vor seiner Seele stand es klar und
fest: Wie wir jetzt auseinander gekommen, so müssen wir su¬
chen, dereinst wieder zusammenzukommen, Preußen und Öster¬
reich, die deutschen Brudermächte, als gemeinsamer Wall wider
Westen und Osten.
Des Kronprinzen volkstümliche Reckengestalt erscheint;
Vater und Sohn sinken sich in die Arme. Ein schöneres, wär¬
meres, heiligeres Zusammentreffen als das des alten Blücher
und des kalten Wellington bei Belle-Alliance!
Stumm ist der österreichische Schlachtendonner, der von
Sadowa her gebrüllt. 180 genommene Geschütze! Die jubelnden
Soldaten klimmen auf Rohre und Lafetten, wo die heldenmü¬
tigen Braunröcke, noch im Tode ihre Geschütze umklammernd,
ehrenvoll erschlagen liegen. Die blauen Jungen schwenken ihre
Nützen; die Offiziere küssen dem greisen Sieger die Hand, und
brausend schmettert es durch die Luft:
„Heil dir im Siegerkranz,
Herrscher des Vaterlands,
Heil, Wilhelm, dir!“
222. Brief des Könijs Wilhelm an die Königin
über die Fahrt nach Berlin.
Berlin, 15. Juli 1870.
J\Ieine Beine also glich in und von Ems bis hier einem Tri¬
umphzuge; ich habe so etwas nicht geahnt, nicht für mög¬
lich gehalten. Alle Bahnhöfe überfüllt, auch die, wo nicht