Full text: [Teil 5 = Kl. 3, 2 u. 1] (Teil 5 = Kl. 3, 2 u. 1)

der alten Stadt bezeichneten, dann weiterhin abermals Pforten, Türme. 
Mauern, Brücken, Wälle, Gräben, womit die neue Stadt umschlossen war, 
alles sprach noch zu deutlich aus, daß die Notwendigkeit, in unruhigen 
Zeiten dem Gemeinwesen Sicherheit zu verschaffen, diese Anstalten hervor¬ 
gebracht. Es war eine unserer liebsten Promenaden, inwendig auf dem 
Gange der Stadtmauer hernmzuspazieren. Gürten, Höfe, Hintergebäude 
zogen sich bis an den Zwinger heran; man sah mehreren tausend Menschen 
in ihre häuslichen, kleinen, abgeschlossenen, verborgenen Zustände. Von 
dem Putz- und Schaugarten des Reichen zu den Obstgärten des für seinen 
Nutzen besorgten Bürgers, von da zu Fabriken, Bleichplützen und ähn¬ 
lichen Anstalten, ja bis zum Gottesacker selbst •— denn eine kleine Welt 
lag innerhalb des Bezirkes der Stadt — ging man an dem mannig¬ 
faltigsten, wunderlichsten, mit jedem Schritt sich verändernden Schauspiele 
vorbei, an dem unsere kindliche Neugier sich nicht genug ergötzen konnte. 
Bedeutender noch und in einen: andern Sinne fruchtbarer blieb für 
uns das Rathaus, der Römer genannt. In seinen unteren, gewölbeähn¬ 
lichen Hallen verloren wir uns gar zu gerne. Wir verschafften uns Eintritt 
in das große, höchst einfache Sitzungszimmer des Rates. Bis auf eine 
gewisse Höhe getäfelt, waren im übrigen die Wände sowie die Wölbung 
weiß, und das Ganze ohne Spur von Malerei oder irgendeinem Bildwerk. 
Nur in der mittleren Wand an der Höhe las man die kurze Inschrift: 
Eines Mannes Rede 
Ist keines Mannes Rede: 
Man soll sie billig hören beede. 
Aber größeren Reiz hatte alles, was sich auf Wahl und Krönung der 
Kaiser bezog. Wir wußten uns die Gunst der Schließer zu verschaffe::, 
um die sonst durch ein Gitter verschlossene Kaisertreppe hinaufsteigen zu 
dürfen. Das mit Purpurtapeten und wunderlich verschnörkelten Goldleisien 
.verzierte Wahlzimmer flößte uns Ehrfurcht ein. Aus dem großen Kaiser¬ 
saale konnte man uns nur mit sehr vieler Mühe wieder herausbringen, 
wenn es uns einmal geglückt war, hineinzuschlüpfen, und wir hielten den 
für unsern wahrsten Freund, der uns bei den Brustbildern der sämtlichen 
.Kaiser, die in einer gewissen Höhe umher gemalt waren, etwas von ihren 
Taten erzählen mochte. 
Wenn wir nun so einmal unsern Umgang hielten, verfehlten wir 
auch nicht, uns nach dem Dome zu begeben. Die Tür, die ins Wahl¬ 
zimmer führt, blieb uns lange verschlossen, bis wir endlich auch den Ein¬ 
tritt in diesen so bedeutenden Ort zu erlangen wußten. Allein wir hätten 
besser getan, ihn durch unsere Einbildungskraft wie bisher auszumalen; 
denn wir fanden diesen in der deutschen Geschichte so merkwürdigen Raum, 
wo die mächtigsten Fürsten sich zu einer Handlung von solcher Wichtigkeit 
zu versammeln pflegten, keineswegs würdig ausgeziert, sondern noch
	        
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