die Frage, ob ein Kavalier, der unter keiner Begleitung eines Kurfürst¬
lichen Gesandten ist, Platz bekommt, denn unsere besten Wirtshäuser werden
im Ganzen vermietet, dem Dick im roten Hause sind schon 30000 Flor.
geboten, aber er gibts noch nicht davor. Wenn Leopold Kaiser werden
sollte, so mag Gott wissen, wo die Leute alle Platz kriegen werden —
denn da kommen Gesandten, die eigentlich nicht zur Krönung gehören, als
der Spanische, Neapolitanische, von Sizilien usw. — Der Päpstliche Ge¬
sandte, weil er in der Stadt keinen Raum gefunden, hat ein Gartenhaus
vor 3OO0 Carolin gemietet. Bei mir waren die Quartierherren noch nicht
— Sie werden doch mit meinem Sohne kommen? Eine Stube sollen
Sie haben . . . ."
Um den gewaltigen Zudrang von Fremden zur Krönung zu bewäl¬
tigen, wurde die Stadt in Bezirke eingeteilt, von denen jeder Kurfürst
einen für sich und sein Gefolge erhielt. Quartierherren besichtigen vorher
die Wohnungen und verteilten nach eignem Ermessen die Gäste. So sind
die Worte aus demselben Brief zu verstehen: „Bei mir waren die Quar¬
tierherren noch nicht, ich traue mich deswegen nicht vor die Tür zu gehen
und sitze bei dem herrlichen Gotteswetter wieder in Bastille, — denn wenn
sie mich abwesend fänden, so nähmen sie vielleicht das ganze Haus, denn
iin Nehmen sind die Herren verhenkert fix, und sind die Zimmer einmal
verzeichnet, so wollte ichs keinem raten, sie zu anderem Gebrauche zu be¬
stimmen." —
Der Große Hirschgraben wurde dem Kurfürsten von Hannover zu¬
geteilt; die gefürchteten Quartierherren erschienen und trafen eine Be¬
stimmung, die Frau Rat nicht minder als ihre Gäste zufrieden und
glücklich machen sollte; die beiden Prinzessinnen von Mecklenburg-Strelitz,
die damals vierzehnjährige Prinzeß Luise, die spätere Königin und der
gute Engel Preußens, ihre Schwester, die damals zwölfjährige Prinzeß
Friederike, die spätere Prinzeß von Preußen, von Solms, Cumberland
und zuletzt Königin von Hannover, nebst ihrem elfjährigen Bruder Georg
wurden zu Gästen der Frau Rat bestimmt. Gewiß haben bei dieser Wahl
nicht nur die Stattlichkeit des Hanfes, sondern auch die nahen Beziehungen
der Frau Rat mit dem den Prinzessinnen vertvandten Weimarschen Hofe
beigetragen. Die Prinzessinnen waren die Töchter des Prinzen Karl von
Mecklenburg-Strelitz; sie hatten ihre Mutter und bald darauf die Stiefmutter
früh verloren und wurden am Darmstüdter Hofe von ihrer Großmutter
erzogen. Weil sie in Hannover, während der Statthalterschaft ihres Vaters,
geboren worden waren, wurden sie im Quartier des Kurfürsten von Han¬
nover untergebracht. Daß Gäste und Wirtin bald großen Gefallen an¬
einander fanden, brauchen wir nicht erst zu versichern. Die beiden Prin¬
zessinnen waren die lieblichsten Geschöpfe, die man sich denken kann. Was
die Zeitgenossen begeistert berichten, daß die Schönheit der Königin Luise
nur noch von der Anmut des Geistes übertroffen wurde, zeigte sich schon
Porger-Wolff, Lesebuch für Knabeu-Mittelschulen. V. Hessen-Nassau. 22