Full text: [Teil 5 = Kl. 3, 2 u. 1] (Teil 5 = Kl. 3, 2 u. 1)

die Frage, ob ein Kavalier, der unter keiner Begleitung eines Kurfürst¬ 
lichen Gesandten ist, Platz bekommt, denn unsere besten Wirtshäuser werden 
im Ganzen vermietet, dem Dick im roten Hause sind schon 30000 Flor. 
geboten, aber er gibts noch nicht davor. Wenn Leopold Kaiser werden 
sollte, so mag Gott wissen, wo die Leute alle Platz kriegen werden — 
denn da kommen Gesandten, die eigentlich nicht zur Krönung gehören, als 
der Spanische, Neapolitanische, von Sizilien usw. — Der Päpstliche Ge¬ 
sandte, weil er in der Stadt keinen Raum gefunden, hat ein Gartenhaus 
vor 3OO0 Carolin gemietet. Bei mir waren die Quartierherren noch nicht 
— Sie werden doch mit meinem Sohne kommen? Eine Stube sollen 
Sie haben . . . ." 
Um den gewaltigen Zudrang von Fremden zur Krönung zu bewäl¬ 
tigen, wurde die Stadt in Bezirke eingeteilt, von denen jeder Kurfürst 
einen für sich und sein Gefolge erhielt. Quartierherren besichtigen vorher 
die Wohnungen und verteilten nach eignem Ermessen die Gäste. So sind 
die Worte aus demselben Brief zu verstehen: „Bei mir waren die Quar¬ 
tierherren noch nicht, ich traue mich deswegen nicht vor die Tür zu gehen 
und sitze bei dem herrlichen Gotteswetter wieder in Bastille, — denn wenn 
sie mich abwesend fänden, so nähmen sie vielleicht das ganze Haus, denn 
iin Nehmen sind die Herren verhenkert fix, und sind die Zimmer einmal 
verzeichnet, so wollte ichs keinem raten, sie zu anderem Gebrauche zu be¬ 
stimmen." — 
Der Große Hirschgraben wurde dem Kurfürsten von Hannover zu¬ 
geteilt; die gefürchteten Quartierherren erschienen und trafen eine Be¬ 
stimmung, die Frau Rat nicht minder als ihre Gäste zufrieden und 
glücklich machen sollte; die beiden Prinzessinnen von Mecklenburg-Strelitz, 
die damals vierzehnjährige Prinzeß Luise, die spätere Königin und der 
gute Engel Preußens, ihre Schwester, die damals zwölfjährige Prinzeß 
Friederike, die spätere Prinzeß von Preußen, von Solms, Cumberland 
und zuletzt Königin von Hannover, nebst ihrem elfjährigen Bruder Georg 
wurden zu Gästen der Frau Rat bestimmt. Gewiß haben bei dieser Wahl 
nicht nur die Stattlichkeit des Hanfes, sondern auch die nahen Beziehungen 
der Frau Rat mit dem den Prinzessinnen vertvandten Weimarschen Hofe 
beigetragen. Die Prinzessinnen waren die Töchter des Prinzen Karl von 
Mecklenburg-Strelitz; sie hatten ihre Mutter und bald darauf die Stiefmutter 
früh verloren und wurden am Darmstüdter Hofe von ihrer Großmutter 
erzogen. Weil sie in Hannover, während der Statthalterschaft ihres Vaters, 
geboren worden waren, wurden sie im Quartier des Kurfürsten von Han¬ 
nover untergebracht. Daß Gäste und Wirtin bald großen Gefallen an¬ 
einander fanden, brauchen wir nicht erst zu versichern. Die beiden Prin¬ 
zessinnen waren die lieblichsten Geschöpfe, die man sich denken kann. Was 
die Zeitgenossen begeistert berichten, daß die Schönheit der Königin Luise 
nur noch von der Anmut des Geistes übertroffen wurde, zeigte sich schon 
Porger-Wolff, Lesebuch für Knabeu-Mittelschulen. V. Hessen-Nassau. 22
	        
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