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damals nicht minder in der Lieblichkeit der äußeren Erscheinung, wie in
der Natürlichkeit ihres Wesens und der geistigen Frische; und nun Frau
Rat, die Frau mit dem ewig jungen Herzen, mit dem stets heiteren Kindes-
sinn! Wie bald schloß sich da ein festes Band zwischen Mutter und
Kindern, ein Band, das erst der Tod gelöst hat! Noch in spateren
. Jahren hat die Herzogin von Cumberland mit Freuden davon erzählt,
daß Frau Rat ihnen alles zu Liebe, Gefallen und Unterhaltung getan,
fie in ihr eigenes Zimmer kommen lassen und jugendlich mit ihnen
gespielt hätte.
Gleich der Empfang zeigte, wie sehr sich Frau Rat auf Kindersinn
und Kinderfreude verstand. Während die Hofdame, die Begleiterin der
Prinzessinnen, sich mit Frau Rat unterhielt, hatten diese im Hofe den
Ziehbrunnen entdeckt, der ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahm:
„er ist in origineller Weise ausgeführt und war von einem vorspringenden,
malerischen Dache geschützt. Ein ausgehauener Kopf mit einem Wasser¬
rohr im Munde ragt aus einer Nische in der Wand hervor, und durch
Bewegung eines langen Hebels zur Rechten des Kopfes wird das Wasser
durch eine hohe Holzröhre in einen schalenförmigen Behälter heraus¬
gepumpt." „O," rief Luise aus, „ich möchte wissen, ob wir nicht Wasser
pumpen könnten, ich würde es gern versuchen." Auf die bereitwillig ge¬
gebene Erlaubnis der Frau Rat stürmten trotz des Einspruchs der Hof-
meisterin die Kinder auf den Hof und pumpten nach Herzenslust. Dem
Versuch der Hofdame, die Prinzessinnen von dem unpassenden Beginnen
abzuhalten, machte Frau Rat, wie sie später oft erzählte, dadurch resolut
ein Ende, daß sie Gewalt brauchte und sie in das Zimmer einschloß.
„Denn", sagte die Mutter, „ich hätte mir eher den ärgsten Verdruß über
den Hals kommen lassen, als daß man sie in dem unschuldigen Vergnügen
gestört hätte, das ihnen nirgendswo gegönnt war, als in meinem Hause,
auch haben sie mir's beim Abschied gesagt, daß sie nie vergessen würden,
wie glücklich und vergnügt sie bei mir waren."
Von dem fröhlichen, ungebundenen Leben der Kinder in diesen
Tagen schreibt Frau Rat noch in freudiger Erinnerung im August 1806,
als ihr der Sohn von seinem Zusammentreffen mit der Prinzessin Solms
im Juli desselben Jahres in Karlsbad berichtet hatte:
„Noch eine Nachschrift! Das Zusammentreffen mit der Prinzessin
von Mecklenburg hat mich außerordentlich gefreut — sie — die Königin
von Preußen — der Erbprinz werden die jugendlichen Freuden, die sie
in meinem Hause genossen, nie vergessen — von einer steifen Hof-Etikette
waren sie da in voller Freiheit — tanzten — sangen und sprangen beu
ganzen Tag — alle Mittag kamen sie mit 3 Gabeln bewaffnet an
meinen kleinen Tisch — gabelten alles, was ihnen vorkam — es schmeckte
herrlich — nach Tisch spielte die jetzige Königin auf dem Pianoforte, und
der Prinz und ich walzten — hernach mußte ich ihnen von den vorigen