Full text: [Teil 5 = Kl. 3, 2 u. 1] (Teil 5 = Kl. 3, 2 u. 1)

Töchterchen unterstützt sie in der frommen Handlung, indem sie einige 
frisch gepflückte Blumen aus dem Garten in den Ständer tut, der zu 
den Altargeräten gehört. 
Nach dem Wegräumen wird es Zeit, daß die Kinder, besonders 
die Töchter, Toilette machen für die Schule. Europäische Strümpfe, 
Kleider mit Ärmeln, ohne das altjapanische Gehänge, ein rotbrauner 
geteilter Rock mit Miederfortsatz über dem umfangreichen Gürtel ist die 
jetzt in allen japanischen Mädchenschulen eingeführte Uniform, weil bei 
dem viel betriebenen Turnen und Spielen nur diese Tracht ungehinderte 
Bewegungen gestattet. Dann kommt die Plage des Haarmachens, bei 
der in kinderreichen Häusern fast alle Mägde Hand anlegen müssen und 
die Kinder sehr viel Wünsche äußern über das Papier, die Bänder, den 
Kamm und die kleidsamen Schmucknadeln, die sie zu tragen wünschen. 
Die Bücher werden in die farbenprächtigen Tragetücher eingeschlagen, das 
Frühstück wird in Behälter getan, an der Ausgangstür werden die Stiefel 
angezogen, und fort geht's unter Verbeugungen und frohen Abschieds¬ 
grüßen auf das Straßeugewimmel, wo sie sich jeden Tag mit Genossen 
treffen und begegnen, den verschiedenen Schulen zu, in denen die Kinder 
bis in den Nachmittag hinein festgehalten werden. Den ganz Kleinen, 
besonders wenn sie noch in die Spielschule gehen, muß man auch noch 
eine Wärterin mitgeben, die immer zur Hand ist, wenn das Kind etwas 
verlangt, ihm beim Frühstück behilflich ist und es wieder heim geleitet, 
wo das Umkleiden in losere japanische Kleider die Einleitung zum Spielen 
im Garten und auf der Straße bildet. 
Hat der Hausherr sich zurecht gemacht, und erhebt er sich nach dem 
Anziehen der Stiefel von der Bank am Haustor, so ist der Abschied 
feierlicher. Die Hausfrau und die Mägde knieen auf den Matten und 
rufen ihm unisono den Abschiedsgruß zu, indem sie ehrfurchtsvoll den 
Boden mit den flachen Händen und der Stirn berühren. Im Gefühl 
seiner Würde schreitet er zur Gartenpforte hinaus, um gewöhnlich in 
seinem von dem Wagenzieher des Hauses schnell fortbewegten zweirädrigen 
Wägelchen (der Jinrickischa) den weiten Weg zu seinem Bureau oder 
Amtsgebäude zurückzulegen. 
Dann wird es im Hause erst recht lebendig. Das jüngste Kind 
wird einer Dienerin auf den Rücken gebunden und ins Freie getragen, 
um dort zu schlafen, zu beobachten, zu schreien oder zu spielen, wie es 
Lust hat. Ebenso müssen die Alten im Garten ein Unterkommen suchen. 
Denn nur geschäftige Personen duldet man jetzt in dem Haus. Die 
Papierschiebetüren werden nun ebenfalls herausgehoben, damit die Luft 
von allen Seiten bequem Zugang hat, und es beginnt das Fegen der 
Matten mit den vortrefflichen japanischen Besen, das Abstäuben der 
Wände mit den festen und rohen Papierwedeln, das Aufwischen der 
glatten Holzdielen der Veranda, das Abwaschen des Frühstücksgeräts in 
Porger-Wolff, Lesebuch für Knaben-Mittelschulen. V. Hessen-Nassau. 32
	        
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