Töchterchen unterstützt sie in der frommen Handlung, indem sie einige
frisch gepflückte Blumen aus dem Garten in den Ständer tut, der zu
den Altargeräten gehört.
Nach dem Wegräumen wird es Zeit, daß die Kinder, besonders
die Töchter, Toilette machen für die Schule. Europäische Strümpfe,
Kleider mit Ärmeln, ohne das altjapanische Gehänge, ein rotbrauner
geteilter Rock mit Miederfortsatz über dem umfangreichen Gürtel ist die
jetzt in allen japanischen Mädchenschulen eingeführte Uniform, weil bei
dem viel betriebenen Turnen und Spielen nur diese Tracht ungehinderte
Bewegungen gestattet. Dann kommt die Plage des Haarmachens, bei
der in kinderreichen Häusern fast alle Mägde Hand anlegen müssen und
die Kinder sehr viel Wünsche äußern über das Papier, die Bänder, den
Kamm und die kleidsamen Schmucknadeln, die sie zu tragen wünschen.
Die Bücher werden in die farbenprächtigen Tragetücher eingeschlagen, das
Frühstück wird in Behälter getan, an der Ausgangstür werden die Stiefel
angezogen, und fort geht's unter Verbeugungen und frohen Abschieds¬
grüßen auf das Straßeugewimmel, wo sie sich jeden Tag mit Genossen
treffen und begegnen, den verschiedenen Schulen zu, in denen die Kinder
bis in den Nachmittag hinein festgehalten werden. Den ganz Kleinen,
besonders wenn sie noch in die Spielschule gehen, muß man auch noch
eine Wärterin mitgeben, die immer zur Hand ist, wenn das Kind etwas
verlangt, ihm beim Frühstück behilflich ist und es wieder heim geleitet,
wo das Umkleiden in losere japanische Kleider die Einleitung zum Spielen
im Garten und auf der Straße bildet.
Hat der Hausherr sich zurecht gemacht, und erhebt er sich nach dem
Anziehen der Stiefel von der Bank am Haustor, so ist der Abschied
feierlicher. Die Hausfrau und die Mägde knieen auf den Matten und
rufen ihm unisono den Abschiedsgruß zu, indem sie ehrfurchtsvoll den
Boden mit den flachen Händen und der Stirn berühren. Im Gefühl
seiner Würde schreitet er zur Gartenpforte hinaus, um gewöhnlich in
seinem von dem Wagenzieher des Hauses schnell fortbewegten zweirädrigen
Wägelchen (der Jinrickischa) den weiten Weg zu seinem Bureau oder
Amtsgebäude zurückzulegen.
Dann wird es im Hause erst recht lebendig. Das jüngste Kind
wird einer Dienerin auf den Rücken gebunden und ins Freie getragen,
um dort zu schlafen, zu beobachten, zu schreien oder zu spielen, wie es
Lust hat. Ebenso müssen die Alten im Garten ein Unterkommen suchen.
Denn nur geschäftige Personen duldet man jetzt in dem Haus. Die
Papierschiebetüren werden nun ebenfalls herausgehoben, damit die Luft
von allen Seiten bequem Zugang hat, und es beginnt das Fegen der
Matten mit den vortrefflichen japanischen Besen, das Abstäuben der
Wände mit den festen und rohen Papierwedeln, das Aufwischen der
glatten Holzdielen der Veranda, das Abwaschen des Frühstücksgeräts in
Porger-Wolff, Lesebuch für Knaben-Mittelschulen. V. Hessen-Nassau. 32