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König Karl wohnte selbst dem Leichenbegängniß mit großer Theilnahme
bei, welches ihn von einem nicht unerheblichen Gegner befreite.
Indessen zog ein großes und unerhörtes Leid über ganz Europa
herauf, dem menschliches Bemühen kein Ziel zu setzen wußte. „Es schien,
als ob die Verderbniß der Geschlechter auch die Natur vergiftet habe."
Erdbeben wurden in verschiedenen Theilen des Reiches verspürt; Städte
gingen unter. Dann kam der schwarze Tod, von Norden nach Süden
sich verbreitend, über Deutschland und Italien. Es war die orientalische
Pest, auf genuesischen Schissen von der Levante herübergekommen. Wen
sie ergriff, der starb am dritten Tage. Zwei Drittheile der Menschen
soll sie hinweggenommen haben, darum hieß sie „das große Sterben."
In Venedig raffte die Krankheit 100,000, in Lübeck 90,000, in Erfurt
16,000, in Danzig 13,000 Menschen hinweg. „In manchen Städten war
der Bischof mit dem ganzen Kapitel gestorben. Handel und Wandel hörte
ans; die Hand des Chronisten erstarrte im Schreiben und der Kaufmann
schloß seine Hallen. Auf dem Meere selbst trieben die Schisse steuerlos
umher, nur Leichen waren noch darinnen."
Grauenhafter noch als dies entsetzliche Unheil waren die moralischen
Folgen desselben im Volke. Man erklärte sich das geheimnißvolle Wesen
der Krankheit, indem man hartnäckig glaubte, die Juden hätten die
Brunnen vergiftet. Es begann vom Mittelmeer bis zur Nordsee die
furchtbarste Judenverfolgung, die die Geschichte kennt. Die Volkswuth
kannte keine Grenzen, Mord und Brand, von Stadt zu Stadt, von Dorf
zu Dorf rasend, füllte die weiten Gauen des Reiches. Erst die äußerste
Erschöpfung nur konnte dem Gräuel ein Ende machen.
Unter all' diesen Verhängnissen und zu allen Zeiten war Karl IV.
viel mehr für seine böhmischen Erblande als für das deutsche Reich
besorgt. Fremd und fast feindlich stand er der deutschen Nation gegenüber.
Im siebenten Jahr seiner Regierung errang er die Kaiserwürde und
dämpfte in Italien die Unruhen, welche der kühne Volkstribun Nico laus
Rienzi erregt hatte, verkaufte aber aus Geldgier die meisten seiner
kaiserlichen Rechte an die lombardischen Städte, deren Unabhängigkeit und
Macht von nun an sich immer höher erhob, während das kaiserliche Ansehen
allmählich immer tiefer sank und Deutschland in inneren Zwistigkeiten
sich verblutete.
Während Kaiser Karl in nicht ermüdender Sorgfalt für Böhmen,
nach dem Muster der Pariser Hochschule, zu Prag die erste Univer¬
sität im Reiche (1346) stiftete, die reichen Gold- und Silberbergwerke,
Wein- und Feldbau, Handel und Gewerbe steißig betreiben ließ, lagen
ans deutschem Boden die Herren vom Adel mit den Städten. in nie
endendem Hader; so Regensburg und Augsburg mit deu bairischen
Herzögen, Basel und Colmar mit Habsburg, die fränkischen
Städte mit den Nürnberger Burggrafen; in Hessen und am
Niederrhein, im Würtemberg'schen, wo der schlimmste aller Raub-