und diktierte ihr vom Bette aus die Antwort au den König. Sie lautete:
„Eurer Majestät Befehl befolge ich unbedingt und überlasse Ew. Majestät
jede Bestimmung über die Geschäfte, die ich übernehmen, und über die
Personen, mit denen ich verhandeln soll. Sobald ich von der Krankheit
genesen bin, reise ich zu Ew. Majestät!"
Als diese Antwort am königlichen Hofe bekannt wurde, war Freude
überall. — Die Königin Luise schrieb an ihren Vater: „Stein kommt,
und mit ihm kehrt meine Hoffnung wieder!"
2.
Schon im September des Jahres 1807, zwei Monate nach dem
unglücklichen Frieden von Tilsit, war Stein beim Könige. Und beide
gewannen mit jedem Tage mehr Vertrauen zueinander. Sie arbeiteten
miteinander und setzten ihre ganze Kraft daran, das Preußenland wieder
stark und mächtig zu machen, damit es dereinst das Joch der Knechtschaft
wieder abschütteln könne.
Nicht lange dauerte es, so erließ der König die von Stein verfaßte
Verordnung, daß die Leibeigenschaft oder Erbuntertänigkeit der Bauern,
die bis dahin noch in vielen Teilen des Landes bestanden hatte, völlig
aufhören solle. Auch der geringste Untertan solle frei sein und nicht
mehr mit Leib und Leben, mit Weib und Kind einem andern zu eigen
gehören. Schon im Jahre 1808 erschien die preußische Städteordnung.
Darin war vorgeschrieben, wie es in Zukunft mit der Verwaltung der
städtischen Angelegenheiten gehalten werden solle. Auch dieses wichtige
Gesetz zeigte bald seine heilsamen Folgen. Mit der Zeit ist manches an
demselben geändert worden; die Hauptbestimmungen aber sind bis auf
den heutigen Tag beibehalten.
Noch viel Segen hätte der große Mann in der schweren Prüfungszeit
stiften können; aber — er mußte vor den Franzosen fliehen, zuerst nach
Wien, dann nach Petersburg. Denn er hatte an einen Freund einen
Brief geschrieben, in dem er sein Herz ausschüttete und seiner Feindschaft
gegen den fremden Unterdrücker freien Lauf ließ. Aber der Brief fiel
auf seiner weiten Reise an die mecklenburgische Ostseeküste einem fran¬
zösischen Marschall in die Hände. Der sah nun zwar, daß er nicht an
ihn gerichtet sei; weil er aber wußte, daß er von Stein kam, so war er
doch begierig, seinen Inhalt zu erfahren. Und kaum hatte er ihn gelesen,
so schickte er ihn dem Kaiser Napoleon. Der entbrannte vor Zorn.
„Stein will Revolutionen machen und meine Gewalt stürzen!" rief er
aus. „Ich werde dem zuvorkommen." Und sogleich gab er Befehl, den
Minister in sicheren Gewahrsam zu bringen und seine Güter einzuziehen.
Aber, wie gesagt, Stein konnte noch zur rechten Zeit entfliehen, weil er
gewarnt worden war.
Porger-Wolff, Lesebuch für Knabeu-Mittelschulen. V. Rheiuproviuz. 38