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Schinken von den Mastschweinen. Dem Vater und Bruder blieb das Gröbere,
der Speck, das Nachmehl, die Wassersuppe mit schwarzem Brot, der weiße Kohl,
die Rüben, und das Untere von der Milch. Denn sie wetteiferte mit dem geist¬
lichen Herrn und sorgte für den Magen des Auserwählten, wie der Pfarrer für
s den Kopf desselben. An das, was zwischen dem Kopf und dem Magen liegt, an
sein Herz, dachten beide nicht und ließen den Eigendünkel und die Eigenliebe un¬
gestört darin wachsen und nisten, wie junge Mäuse in dem unbeachteten Winkel
zwischen der Käse- und Kornkammer.
Was der Vater als Mühlarzt verdiente, war sonst zur Hälfte zurückgelegt
w worden; nun ging sein saurer Verdienst in den Kleidern und Büchern des jungen
Gelehrten auf. Darüber grämte er sich, und dies um so mehr, als er weder
die Gabe noch die Kraft hatte, seinem Verdruß mit Worten Luft zu machen oder
seinem törichten Weibe Einhalt zu tun. Er wurde immer stiller, und endlich
fand man ihn, vom Schlage gerührt, tot im Walde neben einer Eiche, die er halb
i5 gefällt hatte.
Etliche Monate darauf mußte ein Hafnermeister aus Augsburg des großen
Wassers wegen etliche Tage mit seinem Lastwagen in Dietfurt liegen bleiben. Der
begehrte den jüngeren Sohn des Verstorbenen zum Lehrjungen. Paul, der von
Mutter und Bruder mißhandelt und verachtet wurde und bei seinem Vater im
so Grabe keinen Trost mehr finden konnte, gürtete sich schnell und folgte gerne. Seine
Mutter ließ ihn mit Freuden ziehen und lebte nun ganz ihrem Peter.
Abermals längere Zeit darauf ging Peter nach Jena auf die Universität.
Der Pfarrer gab ihm viele gute Lehren und einen kurzen Valetsegen mit auf den
Weg. Sonst weiter nichts. Denn was dem geistlichen Herrn seine Pfarrei trug,
2s steckte er in seltene Bücher und Münzen. Die Mutter aber packte in sein Fell¬
eisen zweihundert Taler, die sie aus verkauften Äckern erlöst hatte. Ein Jahr
darauf veräußerte sie ihre Wiese und schickte ihm zweihundertundfünfzig Gulden nach.
Und als er im dritten Jahr wieder um Geld schrieb, borgte sie zweihundert Reichs¬
taler auf ihr Haus und schickte sie ihm auf dem Postwagen. Und als er ihr
so zuletzt durch einen Studenten sagen ließ, er habe nun ausstudiert, möchte aber noch
Magister werden, verpfändete sie ihr Krautbeet gegen fünfundsiebzig Gulden und
sandte sie ihm.
Sie selbst aß indes jahraus jahrein meist nur trockenes Brot, das sie sich mit
Spinnen verdiente; aber wenn sie dabei an ihren Peter in Jena dachte, und daß
rs er bald ein Pfarrer sein würde, schmeckte das schwarze Brot wie Semmel in Met
getaucht. Dazwischen schickte ihr der Sohn auch einen oder den anderen Zettel,
worauf seine Professoren in lateinischer Sprache geschrieben hatten, wie so viel er
gelernt hätte, und Predigten, die von ihm in der Universitätskirche mit vielem Bei¬
fall gehalten worden waren. Die Zettel ließ sie sich von dem geistlichen Herrn über-
setzen und die Predigten von dem Schulmeister vorlesen und vergoß dabei viele
Tränen. Das Porto, welches diese Sendungen kosteten, achtete sie nicht, und wenn
zuweilen auch der Verdienst einer ganzen Woche daraufging.
So war sie auch eines Tages mit einem Briefe von ihrem Sohne auf dem
Wege in das Pfarrhaus, als ihr der Herr der Grafschaft begegnete, zu der Dietfurt
«s gehörte, und sagte: „Walburg, wenn dein Peter von Jena heimkommt, so schick ihn
zu mir; ich will ihn zum Hofmeister machen, und wenn später meiner Pfarreien eine
aufgeht, soll er sie haben".
Eine unbeschreibliche Freude für die Mutter. Aber hinter dem Grafen kam der
hinkende Bote in der Person des Israeliten, der ihr auf ihr Haus dreihundert und
sv auf ihr Krautbeet fünfundsiebzig Gulden geliehen hatte, und sagte: „Weib, ich will
mein Geld haben. Euer Haus und Euer Grundstück kommen immer mehr herunter.
Euer Dach hat seit ewigen Zeiten keinen Maurer und Euer Krautgarten keine Gabel