VII. Bilder aus der Länder- und Völkerkunde.
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352. Iie Sechandeksstadl Karnöurg.
Auf dem ganzen Festlande von Europa gibt es kaum einen
Handelshafen, der eine so günstige Lage hat wie Hamburg. Es liegt am
breiten, tiefen Elbstrome, der bis ins Herz Deutschlands hinein größere
Schiffe trägt; die täglich zweimal wiederkehrende Flut gestattet auch den
größten Handelsschiffen die Einfahrt in die Häfen; dabei liegt es inmitten
der Nordsee- und Ostseeländer und benachbart den nordischen Reichen.
Nur von London und Liverpool überflügelt, ist Hamburg der erste
Handelsplatz des europäischen Festlandes. Übertrifft doch seine Ein- und
Ausfuhr die von ganz Holland sowie die von ganz Italien und ganz
Spanien! Über 7000 Seeschiffe und über 10000 Flußschiffe laufen
jährlich von Hamburg aus, und ebenso viele laufen ein. Wie Schiffe
aller seefahrenden Völker den Hasen von Hamburg aufsuchen, so weht
auch Hamburgs Flagge aus allen Meeren. Seit 1888 ist Hamburg
in den deutschen Zollverein eingetreten, hat aber einen Freihafen
behalten.
Großartig sind besonders die neuen Hasenbauten. Man hat große,
tiefe, ringsnmmauerte Becken geschaffen, in welche die Flut frei hinein¬
strömen kann. Auf den Ufermauern befinden sich lange Schuppen, welche
nach der Wasserseite zu offen sind. Unter dem Schutze ihrer weit vor¬
springenden Dächer liegen die Schienengeleise, die sich nach sämtlichen
Bahnhöfen hin fortsetzen. So sind die Schiffe und Bahnhöfe einander
nahegebracht und mehrmalige Umladungen unnötig geworden. Waren, die
z. B. von London nach Wien bestimmt sind, brauchen in Hamburg nur
einmal umgeladen zu werden. Gewaltige Dampfkräne heben mit eisernen
Armen aus dem Schiffsrumpfe die Waren heraus, mit denen das flüch¬
tige Dampfroß davoneilen soll, beschreiben dann einen Halbkreis und
legen zierlich und gewandt die schwersten Lasten in den Eisenbahnwagen
hinein. Dabei verrichten sie diese Arbeit billiger, vorsichtiger und bedeutend
schneller als Menschenhände. Die gewöhnlichen Dampfkräne heben bis
5 Tonnen. Es ist aber auch einer vorhanden, welcher 30 Tonnen heben
kann. Zu den neuen Hafenbauten gehören auch großartige Speicher.
Einer von ihnen hat fast 1 '/2 Millionen Mark gekostet. Zu gleicher
Zeit können hier vier Schiffe ihre Ladung löschen; Dampfkräne befördern
die Waren unmittelbar bis in den höchsten Stock hinein, und in den
sechs Stockwerken des Gebäudes können Waren im Gewichte von 15000
Tonnen lagern.
Wie die Verladeplätze, so geben auch die Häfen ein deutliches Bild
von dem großartigen Handelsverkehre Hamburgs. Palastähnliche Schiffs¬
kolosse, stolze Dreimaster und Dampfer liegen friedlich neben kleineren
Fahrzeugen. Hier weht das Sternenbanner Nordamerikas neben der