Full text: (Achtes und neuntes Schuljahr) (Teil 4 für Kl. 2 u. 1)

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tritt. Der König befahl ihr, den Helden aus Niederland zum Danke 
für das, was er getan, zu grüßen. Da freute sich Siegfried im 
Herzen und blieb noch gern in Worms; denn er gedachte, die schöne 
Kriemhild sich zur Gemahlin zu gewinnen. Das sollte ihm bald 
durch einen neuen und wichtigen Dienst, den er dem König erwies, 
gelingen. 
Brunhild. Auch der König Günther hatte noch keine Gemahlin. 
Da erhielt er Kunde, daß auf einer Insel im Meer eine Königstochter 
lebe, schön von Gestalt, und von solcher Kraft, daß sie mit den stärksten 
Rittern den Wettkampf einginge. Wer sie zum Weibe begehrte, der 
mußte drei Kampffpiele mit ihr bestehen, und wenn er nur in einem 
von ihr besiegt wurde, so verlor er sein Haupt. König Günther be¬ 
schloß, hinzuziehen und um ihre Hand zu werben. Vergeblich widerriet 
ihm Siegfried die Reise; die Königin sei so stark, sagte er, daß wohl 
vier Ritter sie nicht besiegten; allein Günther bestand auf seinem Sinne. 
„Sie möge", antwortete er, „so stark sein, wie sie wolle, die Reise 
muß geschehen." Da sagte Hagen: „So hört meinen Rat, bittet Sieg¬ 
fried, daß er mit euch ziehe, da er von Brunhild so gute Kunde 
hat." Der König tat, wie ihm geraten, und Siegfried antwortete: 
„Ich begleite dich gern, wenn du mir deine Schwester, die edle Kriem- 
hild, zum Weibe gibst; weiter begehre ich keinen Lohn." „Das will ich 
dir geloben", sprach Günther, „kommt die schöne Brunhild her in dieses 
Land, so will ich dir meine Schwester zum Weibe geben." 
Da machten sie sich auf den Weg, Günther, Siegfried, Hagen und 
Dankwart, der Bruder des letztern. Auf eiuem Schiffe fuhren sie den 
Rhein abwärts und gelangten nach zwölf Tagen nach dem Jsenstein, 
einer Veste im Lande Brunhildens. 
Als sie gelandet waren, bestiegen sie ihre Rosse und ritten hinauf 
zu der Burg. Brunhilden war angesagt, daß fremde Ritter in das 
Land gekommen seien; sie legte daher schönes Gewand an und ging, 
begleitet von ihren Rittern, zu den Gästen hinunter. Als sie Siegfried 
sah, erkannte sie ihn sogleich und redete ihn an: „Seid mir willkommen, 
Siegfried, hier in meinem Lande! Aber sagt, was führt euch her?" 
Siegfried antwortete, daß Günther, sein Herr, gekommen sei, um sie 
zur Gemahlin zu gewinnen. „Wenn er meine Kampfspiele besteht", 
entgegnete sie, „und geht daraus als Sieger hervor, so werde ich sein 
Weib. Verliert er aber auch nur eins, so geht es ihm ans Leben. Er 
soll einen Stein werfen und danach springen und den Speer mit 
mir um die Wette schleudern." Als Günther das kraftvolle und mutige 
Weib sah, wurde ihm bange; aber Siegfried ermutigte ihn, und so
	        
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