Full text: (Achtes und neuntes Schuljahr) (Teil 4 für Kl. 2 u. 1)

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Land Haus und Herd. Der Stand der Landarbeiter, obwohl auch 
er sich gehoben hat, hat sich nicht so sehr gehoben wie diese 
anderen Stände. Also ist klar, daß, die drin sind, unzufrieden sind 
und heraus- und hinaufstreben. Und ehrenwert ist der Arbeiter, 
der sich die Lehrlingsanzüge seiner Knaben vom Munde abdarbt, 
damit sie es weiter bringen als ihr Vater. Die Tatsachen sind da: 
sie wollen nicht mehr dienen, auch die Mädchen nicht. Das ganze 
Wort Dienen ist bei uns in Mißkredit gekommen; es hat einen 
alten, schimmligen Geschmack bekommen. Nur ein Dienen hat 
noch Ansehen bei uns — und das freut alle ernsten Menschen: im 
bunten Rock des Kaisers dienen. 
Das Dienen! — Wie weit reicht denn das Dienen? Ist das 
Dienen für die aus der Welt geschafft, die von unsern Bauernhöfen 
in die Städte ziehen oder übers Meer? Mögen sie bleiben oder 
fortziehen, ich kann's nicht ändern — Gott mit ihnen — aber sie 
sollen wissen, daß sie dienen müssen bis an ihr Ende. Sie mögen 
von dem Dienen beim Bauern schlecht reden, sie sollen aber wissen, 
daß sie dennoch im Dienste sein sollen bis in den Tod. Sonst 
ist eines Menschen Leben nichts wert. So oder so . . . in des 
Kaisers Rock oder auf der lärmenden Werft oder an den eigenen 
Kindern: dienen muß man. Wir alle müssen dienen. Sonst sind 
wir nicht wert, daß uns die Sonne bescheint. Ich sage: da im 
Dienen, da liegt des Menschen Ehre. Heil allen, welche dienen! 
Dieser Gedanke stellt die ganze Welt auf den Kopf. Die ganze 
Welt ruft: „Herrsche! Herrsche! Und wenn du auch nur in deinen 
vier Wänden herrschen kannst: Herrsche! Herrsche!" Das Wort 
Gottes sagt: „Im Gegenteil: sieh ab vom Herrschen! Lege die 
Krone weg! Nimm das Schurzfell! Diene! Diene immer! Diene 
möglichst vielen! Einerlei, ob du Dank hast oder nicht — diene!" 
Selbst die große Sonne ist eine Dienerin, legt sich an jedem Morgen 
in die Sielen und zieht den flammenden Wagen über den weiten 
Himmel. Was sollte aus vielen Kindern werden, wenn die Väter 
nicht an jedem Morgen zu frischem Dienst den Spaten in die Hand 
nähmen? Was sollte aus vielen Hausständen werden, wenn die 
Frauen nicht immer von neuem ihnen dienen wollten? Was sollte 
aus dem Vaterland werden, wenn nicht immer von neuem junge 
Leute bereit wären, des Kaisers Rock anzuziehen, wenn nicht Beamte, 
Minister und Fürsten da wären, die für uns alle grübelten und 
»reibenJtein, MitlelschuNesebuch IV. Westpreuhen. 11
	        
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