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böhmisches Städtchen und machten kurze Zeit Halt im Korn. Ein
eigentümlich Gefühl, in das reifende Weizenfeld zu treten. Aber
kein Platz war sonst zu finden, und jede Schonung hat aufgehört.
Jetzt gilt's — du oder ich! Das Friedensland mit seinen Satzungen
und Gesetzen dämmert weit, weit hinter uns.
Und wieder vorwärts! Die Sonne brannte wie in Innerafrika.
Ein sengend heißer Tag stand uns bevor. Kaum waren wir drei
bis vier Minuten im Marsch, als die Riesengestalt des Brigade¬
generals mit seinem gelben flandrischen Hengste uns entgegenraste.
Sein Adjutant konnte kaum folgen. Von fern schon schrie er:
„Linksum machen, die Österreicher sind da!" Und kurz vorm
Bataillon brachte er mit mächtigem Ruck, sich tief im Sattel zurück¬
biegend, sein Pferd zum Stehen, um es augenblicklich wieder herum¬
zureißen und, dem Gaul die Zinken einsetzend, in der Richtung
gegen den Feind uns voranzusprengen.
12S. Die Übergabe von Sedan.
Johannes Scherr.
In der Nacht vom 1. auf den 2. September wurde, wie der deutsche
Heerfürst es befohlen, zu Donchery über die Waffenstreckung der ein¬
geschlossenen französischen Armee unterhandelt.
Von einem deutschen Offizier geleitet, trafen die französischen Unter¬
händler, General Wimpffen, General Faure und General Castelnau,
zur 10. Abendstunde in Donchery ein, wo Bismarck und Moltke schon
zuvor angelangt waren. Wimpffen trat nicht leichten Herzens in den
Verhandlungssaal. War ihm doch auferlegt, ,,mit den beiden Männern
zu unterhandeln, welche, jeder in seiner Art, als die zwei begabtesten
unsrer Zeit anerkannt waren." Die Verhandlung begann mit der Er¬
klärung Wimpffens, daß, wäre es nach seinem Willen gegangen, der
Kampf fortgesetzt worden wäre; denn die französische Armee wäre,
obzwar auf Sedan zurückgeworfen, immer noch kampffähig. Allein dem
Willen des Kaisers gemäß sei er als Unterhändler hier. Er hoffe als
solcher, die ehrenhaftesten Bedingungen gewährt zu erhalten und stellte
die Frage: „Kann die französische Armee mit Waffen und Gepäck
und allen Ehren, die Soldaten gebühren, die wacker ihre Schuldigkeit
getan, abziehen, so sie sich verpflichtet, während der Dauer dieses Krieges