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Unsre Unterhaltung war schwierig, wenn ich nicht Dinge berühren
wollte, die den von Gottes gewaltiger Hand Niedergeworfenen schmerz¬
lich berühren mutzten." Schon auf der Stratze hatte Napoleon den
Kanzler gefragt, welchen Aufenthaltsort der König ihm, dem Ge¬
fangenen, bestimmt hätte. Bismarck hatte hierüber keine Auskunft zu
geben vermocht. Jetzt sprach der Kaiser von den besseren Kapitulations¬
bedingungen, welche der französischen Armee gewährt werden sollten.
Allein der Kanzler schob dieses Thema sachte beiseite, erklärend, das
wäre eine rein militärische Frage und mützte demnach zwischen Moltke
und Wimpfsen erledigt werden. Seinerseits tat Bismarck die Frage,
ob der Kaiser zu Friedensunterhandlungen geneigt wäre. „Ich bin
als Gefangener gar nicht in der Lage, solche Verhandlungen anzuheben,"
antwortete Napoleon. Und wieder der Kanzler: „Aber wer vertritt dann
Ihrer Ansicht zufolge gegenwärtig die Staatsgewalt Frankreichs?"
Worauf Napoleon: „Die in Paris bestehende Regierung." Derweil
hatte sich, durch Bismarck benachrichtigt, auch Moltke in dem Weber¬
häuschen eingefunden, vernahm die Wünsche des Gefangenen und ging
wieder weg, um dieselben — „aber ohne sie zu befürworten" — dem
König zu überbringen, zu welchem er sich nach Vendresse begab. Das
Ergebnis dieser Sendung war, datz der deutsche Vundesfeldherr er¬
klärte, den gefangenen Kaiser erst dann sehen zu wollen, wenn die
Kapitulation unterzeichnet wäre. Des Aufenthalts in der engen, dumpfen
Stube überdrüssig, hatten sich inzwischen der Kanzler und Napoleon
vor das Haus begeben und setzten auf einer Bank vor der Haustür
ihr Gespräch fort, das zu Bismarcks geringem Behagen immer wieder
darauf zurückkam, ob es nicht möglich wäre, die französische Armee
schonender zu behandeln, sie etwa über die Grenze Belgiens gehen,
dort entwaffnen und internieren zu lassen. Die Franzosen, welche mit
Napoleon gekommen, satzen derweil am Abhang des kleinen Hügels auf
dem Boden. Der gefangene Kaiser sprach kein Wort mit ihnen, sondern
trat, als der Kanzler aufgestanden, um Meldungen zu empfangen und
Befehle zu geben, in das Kartoffelgärtchen nebenan und ging da hin
und her, Rauchwolken aus seinem Glimmstengel blasend.
Mittlerweile war für die Unterkunft des Gefangenen in den nächsten
Stunden Vorsorge getroffen und ein Trupp von preußischen Leib¬
kürassieren herbeigeholt worden, ihm das Geleite zu geben, zunächst
hinüber zu dem Schlößchen Bellevue, das links der von Donchery nach
Sedan führenden Stratze gelegen ist. Hierher begab sich auch der