Full text: (Achtes und neuntes Schuljahr) (Teil 4 für Kl. 2 u. 1)

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Unsre Unterhaltung war schwierig, wenn ich nicht Dinge berühren 
wollte, die den von Gottes gewaltiger Hand Niedergeworfenen schmerz¬ 
lich berühren mutzten." Schon auf der Stratze hatte Napoleon den 
Kanzler gefragt, welchen Aufenthaltsort der König ihm, dem Ge¬ 
fangenen, bestimmt hätte. Bismarck hatte hierüber keine Auskunft zu 
geben vermocht. Jetzt sprach der Kaiser von den besseren Kapitulations¬ 
bedingungen, welche der französischen Armee gewährt werden sollten. 
Allein der Kanzler schob dieses Thema sachte beiseite, erklärend, das 
wäre eine rein militärische Frage und mützte demnach zwischen Moltke 
und Wimpfsen erledigt werden. Seinerseits tat Bismarck die Frage, 
ob der Kaiser zu Friedensunterhandlungen geneigt wäre. „Ich bin 
als Gefangener gar nicht in der Lage, solche Verhandlungen anzuheben," 
antwortete Napoleon. Und wieder der Kanzler: „Aber wer vertritt dann 
Ihrer Ansicht zufolge gegenwärtig die Staatsgewalt Frankreichs?" 
Worauf Napoleon: „Die in Paris bestehende Regierung." Derweil 
hatte sich, durch Bismarck benachrichtigt, auch Moltke in dem Weber¬ 
häuschen eingefunden, vernahm die Wünsche des Gefangenen und ging 
wieder weg, um dieselben — „aber ohne sie zu befürworten" — dem 
König zu überbringen, zu welchem er sich nach Vendresse begab. Das 
Ergebnis dieser Sendung war, datz der deutsche Vundesfeldherr er¬ 
klärte, den gefangenen Kaiser erst dann sehen zu wollen, wenn die 
Kapitulation unterzeichnet wäre. Des Aufenthalts in der engen, dumpfen 
Stube überdrüssig, hatten sich inzwischen der Kanzler und Napoleon 
vor das Haus begeben und setzten auf einer Bank vor der Haustür 
ihr Gespräch fort, das zu Bismarcks geringem Behagen immer wieder 
darauf zurückkam, ob es nicht möglich wäre, die französische Armee 
schonender zu behandeln, sie etwa über die Grenze Belgiens gehen, 
dort entwaffnen und internieren zu lassen. Die Franzosen, welche mit 
Napoleon gekommen, satzen derweil am Abhang des kleinen Hügels auf 
dem Boden. Der gefangene Kaiser sprach kein Wort mit ihnen, sondern 
trat, als der Kanzler aufgestanden, um Meldungen zu empfangen und 
Befehle zu geben, in das Kartoffelgärtchen nebenan und ging da hin 
und her, Rauchwolken aus seinem Glimmstengel blasend. 
Mittlerweile war für die Unterkunft des Gefangenen in den nächsten 
Stunden Vorsorge getroffen und ein Trupp von preußischen Leib¬ 
kürassieren herbeigeholt worden, ihm das Geleite zu geben, zunächst 
hinüber zu dem Schlößchen Bellevue, das links der von Donchery nach 
Sedan führenden Stratze gelegen ist. Hierher begab sich auch der
	        
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