II. Aus der Geschichte des deutschen Vaterlandes.
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nutzlosen Feldzuge im Jahre 1674 trennten sich beide Heere und be¬
zogen Winterquartiere, die Österreicher in Schwaben, die Brandenburger
in Franken.
Der raub- und ländergierige König Ludwig XIV. von Frankreich
wusste aber wohl, welchen von seinen Gegnern er am meisten zu
fürchten hatte, und um diesen los zu werden, bewog er seinen Bundes¬
genossen, den König Karl Gustav von Schweden, den nach dem Besitze
von Hinterpommern gelüstete, während der Abwesenheit des Kurfürsten
in Franken von Schwedisch-Pommern aus in die brandenburgischen Erb¬
lande einzufallen.
Wie eine Heuschreckenplage kamen die Schweden über die Mark,
allerlei Unthaten und Greuel an dem wehrlosen Landvolke verübend.
Sie verderbten die Saaten, führten das Vieh aus den Ställen fort und
misshandelten die Bauern auf das empörendste. In vielen Gegenden der
Mark aber thaten sich die Bauern zusammen; sie waren mit Heugabeln,
Piken und Sensen bewaffnet und trugen Fahnen, die in einem grünen
Kranze den brandenburgischen Adler mit den Buchstaben F. W. zeigten,
darunter die Inschrift:
„Wir sind Bauern von geringem Gut
und dienen unserm Kurfürsten mit unserm Blut.“
Als der Kurfürst erfuhr, wie die Schweden in seinen Erblanden
hausten, war sein edles Herz von Unwillen erfüllt. Alsbald befahl er
den Aufbruch aus den Winterquartieren und führte seine kleine Heer¬
schar in Eilmärschen nach der Mark. Ein zweitägiger heftiger Regen
hatte alle Wege durchweicht, so dass das Vorwärtskommen erschwert ward.
Der Kurfürst selbst war von der Gicht geplagt und musste einen grossen
Teil des Weges in der Sänfte zurücklegen. Die Nacht brachte er häufig
im Wagen zu, seine Soldaten lagerten rings umher. Alle aber waren
guten Mutes und voll Kampfeslust.
Der tapfere Derfflinger, der sich unter dem brandenburgischen Adler
vom Schneidergesellen zum Feldmarschall emporgeschwungen hatte, be¬
fehligte die Vorhut und vollführte mit ihr einen kühnen und listigen
Streich. Ehe noch die Schweden eine Ahnung von der Nähe der kur¬
fürstlichen Truppen hatten, überfiel er mit seinen Dragonern eine feind¬
liche Abteilung in dem brandenburgischen Städtchen Rathenow an der
Havel und machte das ganze schwedische Regiment Wrangel mit allen
Offizieren zu Kriegsgefangenen.
In der Nähe des Städtchens Fehrbellin hatte sich die schwedische
Hauptmacht unter dem Feldmarschall von Wrangel aufgestellt, in ihrem
Rücken die Übergänge über einen breiten Sumpfstreifen, das sogenannte
Havelländische Luch. Obgleich die Brandenburger nur halb so stark
waren, — denn das Fufsvolk hatte auf den beschleunigten Märschen der
Reiterei nicht zu folgen vermocht — beschloss der Kurfürst doch den