dann auf einmal streckt er seine Arme aus, die Zweige breiten sich,
und der Emporkömmling wiegt seine grünen Teile über den Köpfen der
Nachbarn im freien Sonnenlicht.
Eine junge Eiche oder Tanne sieht im Vergleich zu ihm aus wie
ein redliches, gediegenes, aber glanzloses Talent. Harmlos breitet sie
ihre ersten Blättchen oder den Stern der ersten Nadeln aus und must
sich im Anfang oft kümmerlich mit anderen Kleinen in das Licht des
Himmels teilen; aber dafür hat sie auch mehr Zeit, sie must nicht
wie der Spargel in einem kurzen Sommer ihre Früchte zeitigen, sondern
Jahr um Zahr wachsen ihr die Kräfte. Zahr um Zahr ragt sie höher
hinauf, und endlich trägt sie siegreich eine ganze Welt von Blättern
der Sonne entgegen, erhaben über den Wettbewerb derjenigen, die sie
in der Jugend überwucherten. Wo die Bäume einzeln stehen, da ent¬
wickeln sie sich nach allen Richtungen gleichmästig; wo sie in dichten
Mengen wachsen, tritt Ast- und Laubentwicklung an der Seite zurück
und das Spitzenwachstum herrscht vor; denn da kommt kein Licht von der
Seite, der Baum must nach oben drängen, um seinen Blättern den
Sonnenschein zu sichern. Es hat wohl schon jeder bemerkt, wie im
geschlossenen Tannenwald die Seitenzweige absterben, während der
Stamm an der Spitze seine volle Nadelmasse entwickelt; auch das ist
eine Folge des Triebes zum Licht. Und wenn die Baumbestände einmal
dicht entwickelt sind, so wird eben ihr Schatten wieder eine Waffe,
die ihnen fremden Wettbewerb vom Leibe hält; im Dunkel des tiefen
Forstes gedeiht kein Unterholz zu rechter Kraft; ein recht finsterer
Fichtenwald duldet überhaupt nichts unter sich.
Der Mensch, der Vogel, das Eichhörnchen und andere Tiere freuen
sich am ragenden Stamm und am ragenden Fels; Schutz, Wohnplatz
oder Nahrung gewährt er ihnen. Aber ebensowohl wie die empfindenden
Wesen wissen manche Gewächse das Hochstrebende ihren Interessen dienst¬
bar zu machen. Das sind die Weinreben, die Bohnen, der Efeu, das
ganze Volk der schlingenden und kletternden Pflanzen. ,,Nimm uns
mit," sagen sie, „wir allein sind zu schwach, um uns zur Sonne durch¬
zuarbeiten, du kannst uns halten." Und die Bohne schlingt ihren Stengel
am Stamm in die Höhe, der Efeu saugt sich mit Haftwurzeln fest, die
Weinrebe sendet ihre Ranken aus, fastt mit ihnen wie mit Fingern die
Zweige und rollt sie dann in Schraubenform zusammen, um sich heran¬
zuziehen. So lassen sie sich von Stärkeren in die Höhe tragen oder
schleichen an Mauern und Felsen aufwärts, um auch ihrerseits über