Full text: [Teil 3 = 6. u. 7. Schulj] (Teil 3 = 6. u. 7. Schulj)

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unser harrte. Hühnchen entzündete feierlich ein Stückchen Feuerschwamm, 
das an einem Stückchen befestigt war, und feuerte mit großem Geschick 
diesen festlichen Böller ab. Er gab einen kleinen, zimperlichen Knall von 
sich, und die Weinlese begann. Bei dem stürmischen Eifer der kleinen 
Winzer war sie in einer halben Minute beendigt. Auch das festliche Nuß- 
pflücken nahm nicht mehr Zeit in Anspruch. Hühnchen nahm nun eine 
kleine Blechpfeife aus der Tasche, stellte sich an die Spitze seiner Nach-, 
kommenschaft und hielt einen feierlichen Amzug durch den Garten, wozu 
er einen herzbewegenden Marsch in einer verkehrten Melodie nach einem 
falschen Tempo blies. Nachdem dieser Umzug beendet und die einge¬ 
sammelten Früchte abgeliefert waren, machte sich Hühnchen an die Vor¬ 
bereitungen zum Feuerwerk, da die Dunkelheit bereits hereingebrochen 
war. Nach einer erwartungsvollen Pause ward es durch einen der bereits 
bekannten Böllerschüsse eingeleitet. Der erste Teil bestand aus einem 
großartigen Sprühteufel, an den mindestens für 25 Pfennig Pulver 
verschwendet war. Den größten Effekt machte aber der zweite Teil, die 
bengalische Beleuchtung des Springbrunnens, eine Nummer, die ein- 
stimmig da capo begehrt wurde. Diesem ehrenden Verlangen konnte aber 
keine Folge gegeben werden, weil das Pulver alle war. „Ohne Rakete 
ist die Sache eigentlich nur halb, allein das geht nicht," sagte Hühnchen 
dann, „aber ich verstehe mich herrlich auf eine ganz gefahrlose Sorte." 
Damit steckte er einen Finger in den Mund und machte so täuschend 
das Geräusch einer steigenden und platzenden Rakete nach, daß wir in die 
Hände klatschten und bewundernd „Ah!" riefen, wie die Leute zu tun 
pflegen, wenn der bunte Sternenregen leuchtend hervorblüht. Natürlich 
immer mit Ausnahme der steifen alten Dame mit der glänzenden Ver¬ 
gangenheit; diese saß wie eine feierliche alte Mumie da und sah unergründ¬ 
lich aus. 
5. Das Abendessen war dem glanzvollen Verlaufe dieser Festlichkeit 
vollkommen angemessen. An jedem Platze lag ein fein beschriebenes 
Kärtchen mit folgendem Inhalte: 
Menu. 
1. Speisen. 
Pellkartoffeln mit Hering. Dazu Zwiebeln und Speck. (1X8. Kar¬ 
toffeln und Zwiebeln eigenes Wachstum.) 
Kartoffelpfannkuchen mit Johannisbeeren. (1X8. Spezialität der 
Frau Hühnchen.) 
Butter und ganz alter Berliner Kuhkäse. 
Weintrauben, Walnüsse. (Eigenes Wachstum.) 
H cid er und Nohl, Deutsches Lesebuch für Mittelschulen. III. Teil. 3
	        
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