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2. Getränke.
Doppelkümmel von Gilka und Bier aus der weltberühmten Brauerei
des Herrn Patzenhofer in Berlin.
Gewürzt war dies köstliche Mahl durch die autzerordentlichsten Tisch¬
reden von Hühnchen und in der ersten Pause durch den gemeinschaftlichen
Gesang des schönen Liedes von Matthias Claudius:
„Pasteten hin, Pasteten her,
was kümmern uns Pasteten!"
Mit besonderm Nachdrucke ward die letzte Strophe von Hühnchen
hervorgeschmettert:
„Schön rötlich die Lartoffeln sind
und weiß wie Alabaster
und sind für Mann und Weib und Lind
ein rechtes Magenpflaster."
Wir gelangten allmählich zu den Früchten, und hier mutz ich über
einen Akt der Verschwendung berichten, den ich in diesem Hause nicht er¬
wartet hatte. Hühnchen lietz sich darüber, als die letzte Traube von der
Schüssel verschwunden war, in dieser Weise aus:
„Wie lange und sorgfältig hat nicht die Natur gearbeitet mit Früh¬
lingsregen und Sommersonnenschein, um diese Trauben zu reifen! Mo¬
nate gingen hin, um diese milde Sützigkeit hervorzubringen, die nun in
wenigen Augenblicken verschlampampt wird. Aber das gefällt mir — es
erhebt meine Seele und erfüllt mein Gemüt mit Genugtuung. Die Erde
ist niein, und ich gebiete ihr. Was sie in sorglich langer Arbeit mühsam
zeitigt, ist gerade gut genug, einen flüchtigen Augenblick lang meine Zunge
311 ergötzen."
Dann kam das Tanzvergnügen. Frau Lore satz am Llavier und
spielte euren altertümlichen Walzer, welcher der Brünuner-Walzer hietz
und sich seit Jahren in der Familie fortgeerbt hatte. Es war der einzige
Tanz, den sie konnte. Die alte Dame nahm meine Aufforderung mit
einem ungeheuern Lnicks entgegen und tanzte mit nur wie ein feierliches
Lineal, während Hühnchen mit feinern Töchterlein erklecklich umherhopste.
Da nun das reichhaltige Programm abgewickelt und die Zeit ge-
kommen war, da der Zug nach Berlin abging, verabschiedete ich mich,
und somit nahm das Fest der Weinlese bei Hühnchen ein Ende.
Heinrich Seidel. (Leberecht Hühnchen.)
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