Vergeblich flehte sein Sohn Hämon, dem Antigone verlobt war, um Gnade
für die Geliebte. Erst der blinde Seher Tiresias brach durch seine dräuende
Warnung vor der Strafe der erzürnten Götter den harten Sinn des
Königs. Dieser eilte jetzt, Antigone zu befreien. Allein zu spät! In
ihrer Verzweiflung hatte sich die Jungfrau bereits mit Hilfe ihres Schleiers
erhängt, und Hämon, der in die Grabkammer eingedrungen war, durch¬
bohrte sich vor den Angen des herannahenden grausamen Vaters mit dem
Schwerte. Von tiefstem Schmerze über den bitteren Verlust, den ihm sein
Starrsinn bereitet, überwältigt, ging er nach Hause. Dort wartete seiner
ein neuer Jammer: auch seine Gattin Eurydice, von Antigones und
Hämons Ende schon benachrichtigt, hatte im Übermaß ihres Schmerzes
sich selbst den Tod gegeben. Zn spät erkannte Kreon, daß der Starrsinn,
mit dein er seinen Willen den ewigen Satzungen der Götter entgegen¬
gestellt, den Untergang seines Hauses herbeigeführt hatte.
188. HchtU^S* Von £udwig Stacke.
Erzählungen aus der griechischen Geschichte. 30. Aufl. Oldenburg 1903. 8. 30.
Achills Jugend.
Unter den zahlreichen Helden, die sich im Kampfe vor Troja aus¬
zeichneten, ragte vor allem durch Stärke, Schönheit und Schnellig¬
keit Achilles hervor, der Sohn des Peleus und der Thetis. Alsbald
nach seiner Geburt pflegte ihn seine Mutter, ohne Wissen des Peleus,
bei nächtlicher Weile in ein Feuer zu tauchen, um zu tilgen, was vom
Vater sterblich an ihm war; des Tages aber salbte sie ihn mit Ambrosia.
Doch Peleus überraschte sie einst, und als er den Knaben im Feuer sah,
schrie er laut aus und hinderte Thetis, ihr Vorhaben ganz zu vollenden.
Da verließ sie erzürnt das Hans des sterblichen Gemahls für immer und
kehrte zurück in die Tiefe des Meeres zu ihrem Vater und zu ihren
Schwestern. Achilles aber war durch das Feuer unverwundbar geworden
bis aus die Ferse, an der ihn seine Mutter gehalten hatte, und die des¬
halb von dem Feuer nicht berührt worden war.
Peleus brachte den Knaben zum Chiron, dem wegen seiner Weisheit
berühmten alten Zentauren, um ihn zu einem Helden heranzubilden. Der
nährte ihn mit der Leber des Löwen und dem Marke aus den Knochen
des Ebers und des Bären, so daß er über die Maßen kühn und stark
wurde gleich jenen Tieren. Es war ihm aber vom Schicksal ein doppeltes
Los bestimmt worden: entweder sollte er fern von Waffen und Kämpfen,
aber auch unberühmt, hohen Alters in der Heimat sterben, oder in der
Blüte der Jahre, aber mit unsterblichem Kriegsruhm gekrönt, in der
Fremde ein blutiges Ende finden. Zwischen beiden Lebenslosen stand ihm
die Wahl. Als nun Agamemnon alle Helden aufbot zur Fahrt nach