Full text: [Teil 4 = Kl. 5 u. 4] (Teil 4 = Kl. 5 u. 4)

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Gleich in der ersten Nacht entfloh sie mit ihren Gefährtinnen, stürzte 
sich in den Tiber nnd gelangte glücklich wieder nach Rom. Aber der 
Senat wollte den abgeschlossenen Vertrag nicht brechen und schickte die 
Jungfrauen zum Porseua zurück. Dieser bewunderte die Kühnheit der 
Clölia, schenkte ihr die Freiheit und erlaubte ihr, sich auch uoch einige 
von den übrigen Geiseln ausznbitten. Sie wählte die jüngsten unter 
den Mädchen aus. — Seitdem gab Tarquinius sein Bestreben auf. An 
seinem Glücke verzweifelnd, floh er nach Cumä, wo er nicht lange 
nachher starb. 
197. 6iti Bild aus der römischen Bailerzeit. 
Von 6rntl von Milctenbruct». 
Claudia« Garten. 13. Auflage. Berlin 1900. 8. 1. 
®ndlich ist die Nacht zn ihrem Recht gekommen — es wird still über 
Rom. Drüben, rechts überm Tiberstrom, über den Gärten des Nero, 
wo heut die Peterskirche sich erhebt und das Gebäude des Vatikans, 
ist der Himmel rot von goldigroter Glut, die aus dem Dickicht der 
Gartenbüsche zum Himmel schwelt. Ist etwa Feuersbrunst in Rom? 
Schon wieder? 
Ganz Italien sprach ja von dem furchtbaren Brande, der wenige 
Wochen zuvor, im letztverflossenen Monat Juli, die Hauptstadt der Welt 
verwüstet halte. Man sprach davon, und wenn man gesprochen hatte, 
fing man an zu flüstern: „Das Feuer, sagt man, ist angelegt worden — 
wißt ihr von wem? Der Cäsar selbst hat Rom in Brand gesteckt. 
Auf den Zinnen seines Palastes, aus dem Palatinischen Berge hat er 
gestanden, die Laute im Arm, und. als das Feuermeer zu seinen Füßen 
raste, hat er vom Brande Trojas zur Harfe gesungen." Ist es also 
wieder etwas Derartiges? Es sieht nicht so aus. Die Glut dort drüben 
bewegt sich nicht vom Fleck; ruhig und senkrecht steigt sie empor wie 
Flammen, die von Altären lodern oder aus Pechpfannen oder von 
Fackeln. Rom ist drüben, jenseits des Tiber, zu Gaste beim Nero, der 
heute in seinen Gärten den Römern ein Fest gibt, wie es noch nicht 
dagewesen ist seit den Tagen von Romulus und Remus. — 
Über die Brücke, die ungefähr in der Gegend der heutigen Engels¬ 
brücke die Ufer des Stromes verband, über den Pons Triumphalis, 
wälzt sich vom rechten Ufer her ein tobender Menschenhaufen. Hinter 
dem dunklen Schwarm und über den Köpfen der Menge flackert und 
stammt es von Fackeln, die im Kreise geschwungen werden, und dann 
erscheinen keuchenden Laufes, in weiten Sprüngen wie Panther dahin¬ 
sausend, braune, nackte nnmidische Fackelträger, die sich mit gellendem 
Geschrei in die Menschenmassen werfen und sie nach rechts und links 
auseinanderstoßen, so daß eine Gasse in der Menge entsteht. Rosse- 
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