schaudert noch, wenn ich daran zurückdenke. Nachdem alles, was nicht
floh, umgebracht war, sammelten einige von uns die römischen Feld¬
zeichen und Adler, andere lasen die umherliegenden römischen Panzer,
Schwerter und Wurfspieße auf, alle aber bewegten sich zuletzt gegen
eine mitten auf dem Schlachtfelde gelegene Anhöhe, auf welcher unser
rapferer, siegreicher Führer Armin stand, und legten die Kriegsbeute zu
seinen Füßen nieder. Da hielt der Held eine begeisterte Rede. Erst
höhnte er die römischen Feldzeichen und Adler, dann sprach er Dank
den Göttern, die uns zum Siege verholfen hatten, lobte unsere bewiesene
Tapferkeit und ermahnte uns, auch ferner die Freiheit des Vaterlandes,
sollte sie, wie zu vermuten, von den Römern wiederum angegriffen
werden, bis auf das äußerste zu verteidigen. Da reckten wir unsere
Schwurfinger, und der tausendstimmige Ruf: „Ja, das wollen wir,"
brauste zu den Sitzen der Götter empor. Währenddessen hatten unsere
Priester schwere Arbeit. Auf den in den nahen Hainen liegenden Opfer-
altären ließen sie die gefangenen Römer der höheren Ordnungen ver¬
bluten. Am schlimmsten erging es den Sachwaltern, die uns mit ent¬
ehrenden Strafen verfolgt hatten. Ihnen wurden, bevor das scharfe
Opfermesser sie traf, die Augen ausgestoßen, anderen die Hände ab¬
gehauen, ja, einigen die bösen Zungen ausgerissen. So zogen wir denn
zuletzt, mit Beutestücken beladen, siegesfroh in unsere Gaue zurück. Nun,
nachdem ihr dies alles vernommen habt, wollen wir zum Abschiede den
Göttern, welche uns den herrlichen Sieg verliehen haben, die Minne
trinken und uns dann zur Ruhe begeben." Der Hausherr nahm in
seiner hauspriesterlichen Würde das gefüllte Methorn, erhob es, sprach,
nach oben schauend, Heilworte und goß von dem Inhalte einige Tropfen
auf den Boden. Das übrige tranken er und die Gäste, indem einer
dem andern das Horn reichte, aus. Darauf reichten sie einander zum
Abschiede die Hände, die Hintersassen verließen die Wohnung des Haus¬
herrn, um ihre eigenen Häuser aufzusuchen; die Hausgenossen begaben
sich in die Verschlüge oder Kammern zur Ruhe. Brunhilde ging, bevor
auch sie ihr Lager aufsuchte, noch einmal zu ihrem Schützling. Er
schlief immer noch tief und ruhig. Sie wußte, daß ihm, der feierlich
ihr zu eigen gesprochen war, nichts gegen ihren Willen geschehen durfte.
Mit sich und ihrem Tagewerk zufrieden, begab auch sie sich zur Ruhe.
202. Mas veräankt unsere Gegenct cten Römern?
Von Ernst Schulze.
vis röinisehen Gren3Lnla»en in Deutschland. Gütersloh 1903. 8. 103.
^V^icht mit Unrecht ist einem sich selbst achtenden Volke der Gedanke,
vl einem ausländischen Herrscher gehorchen zu müssen, unerträglich; des¬
halb ist die Römerherrschaft in germanischen Landen nicht selten als eine
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