6. Jetzo auf den schroffen Zinken
hängt sie, auf dem höchsten Grat,
wo die Felsen jäh versinken
und verschwunden ist der Pfad;
unter sich die steile Höhe,
hinter sich des Feindes Nähe.
7. Mit des Jammers stummen Blicken
steht sie zu dem harten Mann,
steht umsonst; dewn loszudrücken
legt er schon den Bogen an;
plötzlich aus der Felsenspalte
tritt der Geist, der Bergesalte.
8. Und mit seinen Götterhänden
schützt er das gequälte Tier.
„Mußt du Tod und Jammer senden,"
ruft er, „bis herauf zu mir?
Raum für alle hat die Erde;
was verfolgst du meine Herde?"
31. 0rlköt1l<J. "Von MotfgÄNg von Goethe.
Werke. Sophienausgabe. 1. Band. Weimar 1887. 8. 167.
1. Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? —
Es ist der Vater mit seinem Kind.
Er hat den Knaben wohl in dem Arm,
er saßt ihn sicher, er hält ihn warm.
2. Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? —
Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?
den Erlenkönig mit Krön' und Schweis? —
Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif.
3. „Du liebes Kind, komm, geh mit mir!
Gar schöne Spiele spiel' ich mit dir;
manch bunte Blumen sind an dem Strand,
meine Mutter hat manch gülden Gewand."
4. Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht
was Erlenkönig mir leise verspricht? —
Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind;
in dürren Blättern säuselt der Wind. —
5. „Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn?
meine Töchter sollen dich warten schön;
meine Töchter führen den nächtlichen Reihn
und wiegen und tanzen und singen dich ein."