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46. Freiheit. 
(Max ü. ©djenfenbotf.)* 
Freiheit, die ich meine, 
die mein Herz erfüllt, 
komm mit deinem Scheine, 
süßes Engelsbild. 
Magst du nie dich zeigen 
der bedrängten Welt? 
führest deinen Reigen 
nur am Sternenzelt? 
Auch bei grünen Bäumen 
in dem lust'gen Wald 
unter Blütenträumen 
ist dein Aufenthalt. 
Ach, das ist ein Leben, 
wenn es weht und klingt, 
wenn dein stilles Weben 
wonnig uns durchdringt. 
Wenn die Blätter rauschen 
süßen Freundesgruß, 
wenn wir Blicke tauschen, 
Liebeswort und Kuß. 
Aber immer weiter 
nimmt das Herz den Lauf, 
auf der Himmelsleiter 
steigt die Sehnsucht auf; 
aus den stillen Kreisen 
kommt mein Hirtenkind, 
will der Welt beweisen, 
was es denkt und minnt. 
Blüht ihm doch ein Garten, 
reift ihm doch ein Feld 
auch in jener harten 
steinerbauten Welt. 
Wo sich Gottes Flamme 
in ein Herz gesenkt, 
das am alten Stamme 
treu und liebend hängt, 
wo sich Männer finden, 
die für Ehr und Recht 
mutig sich verbinden, 
weilt ein frei Geschlecht. 
Hinter dunkeln Wällen, 
hinter ehrnem Thor 
kann das Herz noch schwellen 
zu dem Licht empor; 
für die Kirchenhallen, 
für der Väter Gruft, 
für die Liebsten fallen, 
wenn die Freiheit ruft. ■— 
Das ist rechtes Glühen, 
frisch und rosenrot: 
Heldenwangen blühen 
schöner auf im Tod. 
Wollest auf uns lenken 
Gottes Lieb' und Lust, 
wollest gern dich senken 
in die deutsche Brust. 
Freiheit, holdes Wesen, 
gläubig, kühn und zart, 
hast ja lang erlesen 
dir die deutsche Art. 
*) Das Lied hat 15 Strophen zu 4 Zeilen. Da man es in achtzeiligen Strophen 
nach der Melodie von C. Groß zu singen pflegt, so wird vor der fünfzehnten Strophe 
die erste wiederholt.
	        
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