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wie der Fluß selbst. Sie schlängelt sich daher in der Mitte der Höhe der 
Schlucht längs der Wände des Spaltes hin. Bald hängt sie sich ans dieser, 
bald ans jener Seite des Flusses an, bald setzt sie ans wundervollen Brücken 
über den Abgrund, bald gräbt sie sich durch Felsenriegel, Thore und Höhlen¬ 
gänge, bald tritt sie ans Vorsprünge und Absätze frei hinaus, bald schwebt 
sie ans künstlichen Manergewölben am Abhange. Der grüne Rhein ist über 
100 m tiefer in dämmernder Tiefe versteckt. Zuweilen sieht man frei 
auf seine schäumende Oberfläche hinab. Zuweilen aber kann man selbst von 
den Brücken herab zwischen allen den vortretenden Felsenköpfen, die sich von 
beiden Seiten her ineinander verzahnen und verkeilen, nur ein grünes oder 
weißes Streifchen von ihm erkennen. Man fährt nahe an zwei Stunden 
aufwärts, bis dann auf einmal der Rhein sich ans der Tiefe wieder hervor¬ 
hebt, die Schlucht sich rechts und links erweitert und ein flacher Thalboden 
sich ausbreitet, auf dem man bequem hineinrollt in das weidenreiche Schamser 
Thal (Andeer, der Hanptort, 949 m). 
73. Mit der Eisenbahn auf den Rigi. 
(Hermann Adalbert Daniel.) 
In Bitznnn am Vierwaldstätter See bestiegen wir den ans der Loko¬ 
motive und einem Wagen bestehenden Zug, welcher uns zu der Höhe des 
Rigi emporführen sollte. Wir waren so glücklich, Plätze ans der Seeseite 
zu erhalten, die wegen der besseren Aussicht vorgezogen werden, obgleich die 
zweckmäßige Einrichtung des Wagens einen nach allen Seiten freien Überblick 
gestattet. Anfänglich steigt die Bahn bald steil in die Höhe, so daß die 
Mehrzahl der Reisenden sich kaum eines ängstlichen Gefühls erwehren 
konnte. Wir glaubten auf den meisten Gesichtern eine bange Spannung, 
eine furchtsame Erlvartnng zu bemerken, die jedoch bald dem Ausdruck von 
Bewunderung und Befriedigung Platz machte. In der That lvar das 
gebotene Schauspiel im höchsten Grade überraschend, jeder Beschreibung 
spottend. Wie eine bewegliche Theaterdekoration, die ans der Versenkung 
emporsteigt, tauchte die Landschaft nach und nach in immer wachsender 
Schönheit auf. Zn unsern Füßen lag das reizende Vitznau mit seinen 
freundlichen Häusern, seinen edlen Kastanienwäldern und prächtigen Nnß- 
bänmen, deren grüne Kronen und hohe Wipfel der Zug fast streifte. Wir 
stiegen immer höher die steile Rotwnnd hinan, von der sich die herrlichste 
Aussicht zeigte. In der Tiefe lag der Vierwaldstätter See mit seinen bald 
anmutig-idyllischen, bald wild-romantischen Ufern wie ein glänzender Spiegel 
in kostbarem Rahmen. Über ihm ragte der stolze Pilatus empor, das kühne 
zerklüftete Haupt von lichten Wolken wie von einem silbernen Schleier nm- 
Gabriel u. Supprian, Lesebuch. I). 8. in
	        
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