fullscreen: Vaterländisches Lesebuch für die mehrklassige evangelische Volksschule Norddeutschlands

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36. Aus dem siebenjährigen Kriege. 
Reih und Glied. Das Kriegsgeschrei verbreitete sich wie ein Lauffeuer durchs 
ganze preußische Lager; alles stürzte aus den Zelten, und in einigen Augenblicken, 
trotz der unaussprechlichen Verwirrung stand der größte Teil der Infanterie und 
der Kavallerie in Schlachtordnung. Der anbrechende Tag diente nicht, die Ver¬ 
wirrung zu vermindern, denn ein dicker Nebel lag auf den streitenden Heeren. 
Das Dorf Hochkirch stand in Flammen und wurde dennoch von den 
Preußen aufs tapferste verteidigt. Der Sieg schien von dem Besitze desselben 
abzuhängen, daher Daun immer frische Truppen zum Angriffe anrücken ließ. 
Nur 600 Preußen waren hier zu besiegen, die, nachdem sie kein Pulver mehr 
hatten, den kühnen Versuch machten, sich durch die große Menge Feinde durch¬ 
zuschlagen. Ein kleiner Teil war so glücklich, es zu bewirken; das Los aller 
übrigen war Tod, Verwundung oder Gefangenschaft. Nun rückten ganze Regi¬ 
menter Preußen an und schlugen den Feind wieder aus dem Dorfe. Hier war 
sodann der Hauptplatz des blutigsten Kampfes. Eine Kanonenkugel nahm dem 
Prinzen Franz von Braunschweig den Kopf weg; der Feldmarschall Keith bekam 
einen Schuß in die Brust, stürzte zu Boden und gab ohne einen Laut seinen 
Heldengeist auf; auch der Feldmarschall Fürst Moritz von Dessau wurde tödlich 
verwundet. Die Preußen, von vorn und im Rücken angegriffen, mußten wei¬ 
chen, und die österreichische Kavallerie hieb nun mit Vorteil in die tapfersten 
Regimenter des preußischen Fußvolkes ein. Der König führte in Person frische 
Truppen gegen den Feind an, der abermals zurückgeschlagen wurde; die öster¬ 
reichische Reiterei aber vernichtete wieder die Vorteile der Preußen. 
Der Nebel verzog sich endlich, und beide Heere übersahen nunmehr den 
mit Leichen besäeten Wahlplatz und die allenthalben herrschende Unordnung. 
Man formierte nun von beiden Seiten neue Schlachtordnungen. Als aber der 
König feindliche Truppen vorn und im Rücken gewahrte, zog er seine tapferen 
Scharen mitten unter diesem Mordgetümmel zusammen und machte nach einem 
fünfstündigen, verzweifelten Gefechte einen Rückzug, dem nichts als ein zwei- 
tausendjähriges Alter fehlt, um von allen Zeugen gepriesen zu werden. Die 
österreichische Armee war in zu großer Unordnung, um einen solchen Rückzug 
zu stören; überdies hatte Daun schon bei Kollin zu erkennen gegeben, sein 
Grundsatz sei, daß man einem fliehenden Feinde goldene Brücken bauen müsse. 
Der Marsch Friedrichs ging nicht weit. Nur eine halbe Meile vom Walplatze, 
auf den sogenannten Spitzbergen, lagerte er sich mit seinen Truppen, die den 
größten Teil ihrer Artillerie und Bagage verloren, den kurzen Rock in der 
rauhen Jahreszeit zur Decke und den Himmel zum Zelte hatten. Es fehlte 
ihnen sogar an Pulver und Kugeln, diesem größten Bedürfnisse der europäischen 
Heere. Ein neues Treffen in dieser Lage hätte die alten Schlachten erneuert, 
wo Manu gegen Mann focht, und jeder sich aus seine Faust verließ. Die 
Stellung des Königs war indessen so vorteilhaft, die Mittel, allen Gefahren 
Trotz zu bieten, waren bei ihm so mannigfaltig und seine Truppen, selbst in 
ihrem geschlagenen Zustande, noch so furchtbar, daß Daun keinen neuen Angriff 
wagen wollte. Die preußische Armee verlor an diesem unglücklichen Tage, nebst 
dem Gepäcke, über 100 Kanonen und 9000 Mann, die Österreicher 8000 Mann. 
Der König hatte sich ins stärkste Feuer gewagt; ein Pferd wurde ihm 
unter betn Leibe erschossen, und zwei Pagen stürzten tot an seiner Seite nieder.
	        
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