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gesungen, welche dem Hörer auf der entfernten Station II, der Em¬
pfänger genannt, hörbar gemacht werden soll. Der Kasten hat an
seiner oberen Fläche eine Öffnung, mit einer aus Schweinsdünndarm
hergestellten, straff gespannten Membran geschlossen. Auf dieser
Membran liegt in der Mitte ein feines Platinplättchen, das von der
Spitze eines federnden Platinstiftes berührt wird, so lange die Mem¬
bran ruhig ist. Schwingt sie aber hin und her, so verlässt er das
Plättchen bei jeder Schwingung. Durch diese abwechselnde Be¬
rührung und Trennung wird der elektrische Strom geschlossen und
unterbrochen, welcher von einer Bunsenschen Batterie aus in die
Platinplatte geleitet wird. Von hier aus geht der Draht nach der
zweiten Station, umläuft hier eine Spirale und geht aus dieser in die
Batterie zurück. In der Mitte der Spirale liegt ein dünner Eisen¬
draht, mit seinen beiden Enden in zwei Stegen befestigt, welche auf
einem Resonanzboden ruhen. Durch eine Telegraphenvorrichtung
kann die Aufmerksamkeit des entfernten Hörers auf das Anfangen
der Mitteilung gerichtet werden. Das Wiedergeben des Tones beruht
nun darauf, dass das Eisenstäbchen jedesmal, wenn es durch den
in der Spirale kreisenden elektrischen Strom magnetisch gemacht
wird, in Erschütterung gerät. So geringfügig die Bewegungen der
kleinsten Teilchen auch sein mögen, so genügen sie doch, um Wellen
hervorzurufen, welche in rascher Wiederholung als Ton empfunden
werden, und zwar als Ton von genau derselben Höhe, welche der
am Aufgabeort in den Apparat gesungene Ton hatte. Der Resonanz¬
boden dient dazu, den Ton zu verstärken.
Reis hatte mit seinem Apparat bereits im Oktober 1861 gelun¬
gene Versuche angestellt. Eine mäfsig laut gesungene Melodie wurde
in einer Entfernung von 100 m durch den Reproduktionsapparat
deutlich wiedergegeben. Doch war derselbe noch sehr unvollkommen;
denn er konnte zwar die Tonhöhe ausdrücken, auch bis zu einem
gewissen Grade die Tonstärke, nicht aber die Klangfarbe, welche für
das Telephonieren des gesprochenen Wortes von grösster Wichtig¬
keit ist.
Dem aus Edinburg stammenden Professor Alexander Graham Bell
ist es im Jahre 1877 gelungen, einen Fernsprecher herzustellen, der
die Sprache einer Person in ihrer ganzen Eigentümlichkeit wieder giebt.
Er bediente sich dazu eines Magnetstabes, um dessen eines Polende
eine aus feinem Kupferdraht gewickelte Induktionsspirale geschoben
ist. Die Enden derselben laufen in zwei dicke Drähte aus, welche durch