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zweiter Ballon trug in einem Weidenkäfig die ersten lebendigen Luft¬ 
reisenden: ein Schaf, einen Hahn und eine Ente. Er kam in einem 
Gehölz so sanft zur Erde, dass die Tiere unbeschädigt blieben. Nach 
dieser Probe fand das erste Aufsteigen von Menschen in der Nähe 
von Paris statt, trotzdem der König anfänglich wegen der Gefährlich¬ 
keit des Unternehmens seine Genehmigung versagt hatte, und nahm 
einen glücklichen Ausgang. 
Unterdessen erfand Charles in einem Monat alles, was wir noch 
heute als notwendige Bestandteile des Luftballons ansehen müssen: 
die Klappe, die Gondel mit dem Netz, den Ballast, den mit Gummi 
elasticum überzogenen Stoff und den Anker und bediente sich auch 
schon des Barometers, um die erreichten Höhen zu bestimmen. Mit 
diesen Hilfsmitteln war eine Luftfahrt nicht mehr so gewagt, wie das 
erste Mal, und die Zahl der Luftschiffer, die nicht nur zu wissen¬ 
schaftlichen Zwecken emporstiegen, sondern daraus ein Gewerbe 
machten, mehrte sich mit jedem Jahre. 
Obwohl die Luftschiffahrt heute noch keine wesentlich andere ist, 
als im Jahre 1784, ist doch das Zutrauen zu dem Luftballon gewachsen 
und eine Auffahrt fast ebenso Modesache geworden, wie es Mode 
ist, die höchsten Spitzen der Alpen zu erklimmen. Die statistische 
Erfahrung hat ergeben, dass die Gefahren, welche den Luftschiffer 
bedrohen, nicht viel grössere sind, als die, denen der Reisende im 
Wagen ausgesetzt ist. Dem Bergsteiger gegenüber befindet sich der 
Luftschiffer in dem grossen Vorteil, den wundervollen Wechsel der 
Erscheinungen, welche die Erhebung über den Meeresboden begleiten, 
in frischer Kraft durch seine Sinne wahrnehmen zu können, während 
der durch Anstrengung und Entbehrung ermattete Fusswanderer häufig 
gegen die herrlichsten Eindrücke abgestumpft ist. 
Der zuweilen unglückliche Ausgang mancher Luftfahrten ist nicht 
so sehr dem Ballon selbst zuzuschreiben, als einer Menge von nicht 
vorherzusehenden Umständen, die selbst die Umsicht des Erfahrensten 
zu schänden machen. Infolge der bedeutenden Grösse der Maschine 
sind die einzelnen Teile für den Luftschiffer unsichtbar und nur durch 
Schnurwerk zugänglich, das sich leicht verwickelt oder durch Nässe 
von Tau, Regen und Nebel den Dienst versagt. Gelingt es z. B. nicht, 
vermittelst dieser Stricke das Ventil oder die Klappe zu öffnen, 
damit in entsprechender Menge Gas entströmen kann, so senkt sich 
auch der Luftballon nicht zur Erde. Bisweilen treiben heftige Winde
	        
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