314
zweiter Ballon trug in einem Weidenkäfig die ersten lebendigen Luft¬
reisenden: ein Schaf, einen Hahn und eine Ente. Er kam in einem
Gehölz so sanft zur Erde, dass die Tiere unbeschädigt blieben. Nach
dieser Probe fand das erste Aufsteigen von Menschen in der Nähe
von Paris statt, trotzdem der König anfänglich wegen der Gefährlich¬
keit des Unternehmens seine Genehmigung versagt hatte, und nahm
einen glücklichen Ausgang.
Unterdessen erfand Charles in einem Monat alles, was wir noch
heute als notwendige Bestandteile des Luftballons ansehen müssen:
die Klappe, die Gondel mit dem Netz, den Ballast, den mit Gummi
elasticum überzogenen Stoff und den Anker und bediente sich auch
schon des Barometers, um die erreichten Höhen zu bestimmen. Mit
diesen Hilfsmitteln war eine Luftfahrt nicht mehr so gewagt, wie das
erste Mal, und die Zahl der Luftschiffer, die nicht nur zu wissen¬
schaftlichen Zwecken emporstiegen, sondern daraus ein Gewerbe
machten, mehrte sich mit jedem Jahre.
Obwohl die Luftschiffahrt heute noch keine wesentlich andere ist,
als im Jahre 1784, ist doch das Zutrauen zu dem Luftballon gewachsen
und eine Auffahrt fast ebenso Modesache geworden, wie es Mode
ist, die höchsten Spitzen der Alpen zu erklimmen. Die statistische
Erfahrung hat ergeben, dass die Gefahren, welche den Luftschiffer
bedrohen, nicht viel grössere sind, als die, denen der Reisende im
Wagen ausgesetzt ist. Dem Bergsteiger gegenüber befindet sich der
Luftschiffer in dem grossen Vorteil, den wundervollen Wechsel der
Erscheinungen, welche die Erhebung über den Meeresboden begleiten,
in frischer Kraft durch seine Sinne wahrnehmen zu können, während
der durch Anstrengung und Entbehrung ermattete Fusswanderer häufig
gegen die herrlichsten Eindrücke abgestumpft ist.
Der zuweilen unglückliche Ausgang mancher Luftfahrten ist nicht
so sehr dem Ballon selbst zuzuschreiben, als einer Menge von nicht
vorherzusehenden Umständen, die selbst die Umsicht des Erfahrensten
zu schänden machen. Infolge der bedeutenden Grösse der Maschine
sind die einzelnen Teile für den Luftschiffer unsichtbar und nur durch
Schnurwerk zugänglich, das sich leicht verwickelt oder durch Nässe
von Tau, Regen und Nebel den Dienst versagt. Gelingt es z. B. nicht,
vermittelst dieser Stricke das Ventil oder die Klappe zu öffnen,
damit in entsprechender Menge Gas entströmen kann, so senkt sich
auch der Luftballon nicht zur Erde. Bisweilen treiben heftige Winde