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Boten eine kleinere Entfernung mit größerer Sicherheit durchfliegen, 
worauf es im Kriege ganz besonders ankommt. Ist doch ihre Reise nicht 
ohne Gefahren und von mancherlei Zufälligkeiten abhängig. Durch ein 
plötzlich auftretendes Gewitter, durch Sturm und Regen können sie von 
ihrer Richtung abgelenkt, in unbekannte Gegenden verschlagen werden; 
auch fallen viele von ihnen den Raubvögeln zum Opfer. Eine Taube, 
die nicht gewöhnt ist, sich ihr Futter im Felde zu suchen, müßte natürlich, 
wenn sie sich verirrt hat, elend umkommen. Deshalb läßt man in neuerer 
Zeit die Brieftauben selbem, wodurch sie sich zugleich gewöhnen, bei 
jedem Wetter, einerlei ob Regen, Nebel oder Sturm, hinaus zu fliegen, und 
es viel besser lernen, den Raubvögeln zu entgehen. 
Will man in Kriegszeiteu, während die Telegraphenleitung zerstört 
oder in die Hände des Feindes gefallen ist, eine wichtige Depesche mög¬ 
lichst sicher befördern, so läßt man eine halbe Stunde nach der ersten eine 
zweite Brieftaube mit derselben Depesche abgehen, oder aber man ersucht 
die nächste Station, ganz wie beim telegraphischen Verkehr, um eine 
Empfangsbestätigung durch eine andere Taube. 
Jede Station muß von den zwei Nachbarstationen mindestens je zehn 
Tauben vorrätig haben, um die ankommende Depesche sofort weiter geben 
zu können. Die Nachrichten selbst müssen auf dünnes Papier geschrieben 
sein, welches fein zusammengefaltet in eine an einem Ende geschlossene 
Gummihülse gesteckt wird. Man umwickelt hieraus die Hülse mit einem 
Faden, um alle Luft daraus zu entfernen und sie so klein als möglich zu 
machen, wodurch man zugleich verhindert, daß die Depesche herausfallen 
oder durch Nässe Schaden leiden kann, und bindet sie der Taube vor¬ 
sichtig und fest unter eine der mittleren Schwanzfedern. Füße, Flügel¬ 
spitzen und Schwanz werden dabei, um die Taube wehrlos zu machen, 
nach hinten gerichtet und festgehalten. 
Ist die Depesche sicher befestigt, so wird die Taube freigelassen und 
fliegt ihrem Heimatsschlag zu, wo sie sich in einem Fangapparat, der so 
eingerichtet ist, daß sie wohl hinein, aber nicht heraus kaun, selbst fängt. 
Sobald sie in den Fangkasten eintritt, setzt sich ein damit verbundenes 
elektrisches Läutewerk in Bewegung, das ihre Ankunft anzeigt. Sie wird 
ergriffen, die Befestigung der Depesche durchschnitten und letztere gelesen. 
Ist sie für einen weiteren Ort bestimmt, so thut man sie wieder in die 
Gummihülse, befestigt diese an eine Taube der nächsten Station und läßt 
sie ansfliegen. Auf diese Weise kann eine Depesche in 6 Stunden leicht 
durch 6 verschiedene Taubeustationen befördert werden, die je 50 km von 
einander entfernt liegen.
	        
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