BgBgBgBgBgBg Von Vaterland und Freiheit. ZLZLZLZLZS 505
sehen? Sind die es? Sie wachsen und welken; das Gemüt findet
überall ein Gemüt, und die nächsten Nachbarn kehren sich den Rücken.
Das Vaterland erklärst du nicht, aber du fühlst es. Deine Güter
stürzest du, ihm opfernd, in den bodenlosen Abgrund; sein Name ist
ein Trompetenstoß der Lust; tief ausholend, langschmetternd, weckt
er das Heiligste in dir, und du stürzest dich selbst dafür in den Tod.
Es ist eine Zaubereiche mit Laub und Blüten, die aus Luft,
Wasser, Erde, aus Tönen und Klängen, Reden und Gedanken Nah¬
rung zieht. Der Baum saugt ein Seufzer und Jubellaute der blühenden
und welkenden Geschlechter. Wenn dann der Sturm in der Krone
rauscht, tönen in der Äolsharfe seiner Zweige die Stimmen wieder
von Jahrhunderten. Sein Laub ist ein festes Dach gegen Regengüsse
und Sonnenbrand. Lagere dich unter ihm! Freue dich seiner Kühlung,
des Schutzes! Horche auf die tausend Stimmen und Klänge, die alten
Lieder in seinem Wipfel; aber wühle nicht nach seinen unergründ¬
lichen Wurzeln! Er ist oben grün — sei zufrieden!
Cabanis. 7. Ausl. Willibald Alexis.
2.
Wo dir Gottes Sonne zuerst schien, wo dir die Sterne des
Himmels zuerst leuchteten, wo seine Blitze dir zuerst seine Allmacht
offenbarten und seine Sturmwinde dir mit heiligem Schrecken durch
die Seele brauseten: da ist deine Liebe, da ist dein Vaterland.
Wo das erste Menschenauge sich liebend über deine Wiege neigte,
wo deine Mutter dich zuerst mit Freuden auf dem Schoße trug und
dein Vater dir die Lehren der Weisheit und des Christentums ins
Herz grub: da ist deine Liebe, da ist dein Vaterland.
Und seien es kahle Felsen und öde Inseln, und wohne Armut
und Mühe dort mit dir, du mußt das Land ewig lieb haben; denn
du bist ein Mensch und sollst nicht vergessen, sondern behalten in
deinem Herzen.
Auch ist die Freiheit kein leerer Traum und kein wüster Wahn,
sondern in ihr lebt dein Mut und dein Stolz und die Gewißheit,
daß du vom Himmel stammest.
Da ist Freiheit, wo du leben darfst, wie es dem tapfern Herzen
gefällt; wo du in den Sitten und Weisen und Gesetzen deiner Väter
leben darfst; wo dich beglücket, was schon deinen Ureltervater be¬
glückte; wo keine fremden Henker über dich gebieten und keine
fremden Treiber dich treiben, wie man das Vieh mit dem Stecken treibt.