Full text: Neuntes Schuljahr (B)

tierischen und Pflanzenabfälle, die sonst unreinlich vor den Hütten um- 
herlagen, zusammentragen, um sie zur Düngung zu benutzen. 
Ongläubig schüttelten die Bauern zu den Ratschlägen des Pfarrers 
die Köpfe; sie meinten, daßß er es wohl verstehen möchte, eine Predigt 
zu halten, in dor Landwirtschaft aber werde das Stadtkind sie nicht be— 
lehren. „Bei uns wächst doch nichts Rechtes,“ war die gewöhnliche 
Redensart, mit der sie seine Aufforderungen zur Arbeit ablehnten. 
Aber Oberlin predigte auch durch die Tat. Er fing mit seinem Diener 
allein an zu graben und zu arbeiten, und als er so einen kleinen, geédeih- 
lichen Acker an seinem Pfarrhause geschaffen, da wunderten sich die 
Bauern und weigerten sich nicht mehr, seinem Rate zu folgen. „Aber 
wo nehmen wir die Ackergeéeräte her?“ fragten sie nun; denn in der 
Geméinde gab es weder diese noch Handwerker. Auch dafür schaffte 
Oberlin Rat; er liess solche aus Strasßpurg Kommen und lieh sie den 
Bauern. Die Bezahlung stundete er ihnen so lange, bis sie dieselbe 
schon aus dem Nutzen, den sie ihnen gebracht hatten, berichtigen konn— 
ten. Da fernerhin die Samenkartoffeln durch mehrjährige Mißzernten 
untauglich geworden waren, so verschrieb er Saatkartoffeln aus Loth- 
ringen und Deutschland und verteilte sie. Er ließ auch Flachssamen von 
den fernen Gestaden der Ostsee Kommen, wo er unter ähnlichen klima-— 
ftischen Verhältnissen so vortrefflich gedieh, und säete ihn hier mit 
gleichem Erfolge. Bald sah man an Stelle der frühern Kahlen und stei- 
nigen Hänge jetzt freundliche Wiesenflächen, wechselnd mit einträg— 
lichen Ackerstücken. Auch den Obstbau führte er ein, und wenn auch 
Walnusßß und Kirsche nicht gedeihen wollten, so sah man doch allwählich 
au den meéeisten Hütten einige junge Bäumchen emporwachsen. Das 
Aussehen der Hütten selbst ward freundlicher, und schon von ferne 
hörte man das Sausen der Webstühle. das Schnurren der Spinnräder aus 
dem Steintale. 
Das waren alles die Verdienste des treuen Pfarrers, dessen segens— 
reiche Tätigkeit mit jedom Tage sichtbarer vor Augen trat. Mer 
möchte alle die wohltätigen Einrichtungen aufzählen, mit welchen er 
den redlichen Arbeiter förderte, dem Notleidenden aufhalf, den Müßig- 
günger zum ehrenhaften Broterwerbe nötigte, wie die von ihm ins Leben 
gerufene Darlehnskasse, die Spar- und Armenkassen. die Anweisung zur 
Erlernung von Handwerken, die er jungen Leuten seiner Gemeinde in 
Strasbßburg erteilen liess, und des Guten mehr. 
7. Bald machte sich das Bedürfnis eines Verkehrs mit der Außen- 
welt fühlbar. Die einzige Strasßze, auf welcher ein Fuhrwerk aus dem 
Steintale nach Schirmeck gelangen und dort die Landstraßze nach 
StrasßSzburg erreichen kKonnte, war das Flusßzbett des wilden Hochgebirgs- 
wassers, dor Breusch. Die Bauern sahen die Notwendigkeit einer Fabr—-
	        
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