Da eérklangen die alten Lieder der éevangelischen Kirché, da er-
tönte der 121. Psalm und der 127. und der 128. und der Segen vom
dreieinigen Gott beschloßz die Féier.
Danach setzte sich der Zug in Bewegung, und man ging durch
alle Räume des schönen, neuen Hauses und prüfte und lobte den Bau.
Danach setzte man sich zum schlichten Mahl, die Gefreundeten und
Nachbarn, die Zimmer- und Maurersleute, und drunten vor der Tür
waren die Kinder versammelt, alt und jung, reich und arm, und war—
teten auf die Krapfen der Bäuerin. Da, über dem Mittagessen, sagte
der Senior zum Hausherrn: „Andres, Euer Haus ist schön und alles
neu und kernhaft auf die Dauer. Nur eins will mir nicht gefallen.
Ihr habt die alte Stiege dringelassen. Zum neuen Haus gehört doch
auch eéine neue Stiege, und man flickt doch nicht einen alten Lappen
auf eéin neu Kleid.“ Da tat der Andres sich räuspern und ausholen
zur Rede: „Wenn's Euch recht ist, Herr Senior, so geht Ihr mit auf
die alte Stiege, und dann werdet Ihr's Geheimnis finden, warum die
alte Stiege geblieben ist!“ Dem denior war's recht, und so standen
die beiden auf, und die andern folgten. die stiegen von unten hinauf;
da an der fünfton Stufe hielt der Hausherr und kniete nieder. Er
schob zwei verborgne Riegel zurück und schlug die Stufe auf wie
ↄaine grosze Lade. Da lagen drei grosze Bibeln und Gebetbücher drin.
„Schaut's, Herr Senior, dahinein in diese Stufe hat mein Urgrobßvater
im Dreißzigjährigen Kriege und Großzvater und Vater danach ihre
Bibeln versteckt vor den Dragonern, wenn sie 's Haus durchsucht
haben nach der évangelischen Bibel. Und nachts sind's dann an die
Stufen gegangen und haben sie herausgeholt und gelesen mitsammen
in der Nacht, und am Morgen haben sie sie wieder da 'nein g'sperrt.
Das ist die Segensstiege im Haus, da hätt' i deon besten Segen 'naus-
tan. Nein, die Stiege musßs bleiben, da liegt der Segen drin.“ Dem
Senior standen die Tränen in den Augen, als er die ehrwürdigen Bibelp
sah und den treuen Urenkel, der so den Segen im Haus behalten wollte.
„Du hast recht, Andres, daßß du die alte Stiege im Hause gelassen
hast. Jetzt begréif' ich's vollkommen.“
5. do gingen sie wieder zum Mahl; aber die Gedanken gingen mit
hinauf aus der alten Stiege, und man erzählte sich viel von chemals
und jetzt, und wie's eben doch Gottes Gnade sei, die die Zeit gewendet.
„Ja,“ sagte der Hausherr, „err Senior, mir ist's aber doch am heu—
tigen Tage wie dem König David zumute, der seinen schönen Palast
gebaut und daran gedacht, daßß die Bundeslade im armseligen Hause
wohnt. WMir haben hier nur unsre Mutterkirche in Wald drüben, und
es ist doch so weit hin. Und hier im Ort ist's gar armselig, und
os will mir immer schwer aufs Herz fallen, daß wir dort uns ver—