Full text: [Teil 4 = Kl. 5 u. 4] (Teil 4 = Kl. 5 u. 4)

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der Schweiß in Strömen herab. Und ohne einmal sich aufrichten zu 
können, müssen sie durch den zehn- bis elfstündigen Arbeitstag. Es gibt 
draußen unter der Sonne so viele Unzufriedene — sie sollten einmal in 
die Kohlengruben hinab, wo man für einen Tagelohn von 2 Mark 
50 Pfennig bis 3 Mark in härtester Arbeit die Glieder beugt, ohne 
das tröstende Himmelslicht zu sehen, ohne den erquickenden Hauch der Lust 
zu spüren, ohne fröhliches Gespräch, ohne jede Abwechslung. Stumpf und 
stumm macht solch Tagewerk, und es ist erst beendet, wenn jeder Arbeiter 
120 Hektoliter Kohle gefördert hat. 
Als ich den fürchterlichen Rückweg hinter mir hatte, den breiten 
Stollen erreichte und endlich wieder ans Tageslicht hinaustrat, da schien 
sie mir neu geschenkt, die grüne, blühende Erde. Tiefausatmend wanderte 
ich weiter. Sie waren nicht unzufrieden, die Leute dort unten, die 
Grubenverwaltung ist menschenfreundlich, und die Leute sind froh, wenn 
sie ständig Arbeit haben. 
Und doch, als jetzt die Sonne hervorkam, als ihr goldnes Licht 
über die grünen Waldberge hinzitterte und aus dem zarten Duft andre 
Höhenzüge auftauchten, die stattlichen Soldatenberge und die Duberow- 
berge, als über die wogenden Kornfelder die Lerchen jubelnd aufstiegen 
und der Duft der blühenden Hollerbüsche meine Sinne umschmeichelte, 
da empfand ich den Genuß all der sommerlichen Schönheit fast wie ein 
Unrecht. Du nährst alle deine Kinder, Mutter Erde, aber ein hartes 
Brot ist es, das sich der Mensch, dem Maulwurf gleich, aus deinem 
dunkeln Schoß graben muß. 
221. Lübbsnau und. leme Gern ule. von huquh cnmns. 
Märkische Streifzüge. Minden 1887. 3. Band. 8. 212. Gekürzt. 
¿T\er Weg vom Bahnhof zur Stadt Lübbenau ist ganz spreewäldisch. 
JLs Es ist ein aufgeschütteter Damm, den zur Rechten ein von Kähnen 
belebter Kanal begleitet, in den dann wieder eine Reihe kleinerer Wasser¬ 
adern einmünden. Erlenbäume säuseln darüber hin, und zwischen den 
grauen Stämmen hindurch schweift der Blick ebenso wie zur Linken über 
weite feuchte, tiefliegende Ackerflächen mit Gurken, Zwiebeln, Meer¬ 
rettich, Sellerie, Majoran, Dill, Kohlrüben, Bohnen und Erbsen. Hier 
und da schiebt sich ein Wiesenstreifen dazwischen, auf dem mächtige Heu¬ 
schober aufragen. Dann geht die Landschaft gänzlich in saftiges Wiesen¬ 
land über, begrenzt von den Eichen- und Erlenwaldungen des Ober- 
Spreewaldes. Vor uns aber baut sich über Gärten, Scheuern und 
Ställen das freundliche Lübbenau mit seinen roten Ziegeldächern aus, 
hoch überragt von dem schlanken Kirchturm, von dessen Schallochfenstern 
aus sich ein entzückendes, ausgedehntes Bild von Kottbus bis Lübben
	        
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