370
die Kreise, Hüpfen die langen, bunten Reihen, laufen die Scharen. Kein
Spiel, ja keine Bewegung, die nicht durch ein lustiges, wenn auch oft sehr
rätselhaftes Liedchen begleitet würde, oder zu dem nicht ein jauchzender
Ruf ertönte, wie:
„Miene Mutter hät eseggt, eck soll deck fau'n dick, dick, dick Brot
geben!" (Meine Mutter hat gesagt, ich sollte dir so 'n dick, dick, dick
Brot geben!)
Oder: „Süh deck nech ümme, dei Puck dei kümmt,
Süh deck wohl vor, hei sleit 'r herdor."
(Sieh dich nicht um, der Puck der kommt,
Sieh dich wohl vor, er schlägt hindurch.)
Oder: „Krup (kriech'), Jäger, durch den Busch,
Wir woll'n ein Hirschlein jagen."
Oder: „Wir wollen nun haben die erste Tochter, Juchheissasa, Pilatus."
„Was wollt ihr mit der ersten Tochter? Juchheissasa, Pilatus."
„Wir wollen sie in das Kloster haben! Juchheissasa, Pilatus."
„In was sür'n Kloster soll sie denn? Juchheissasa, Pilatus."
„Ins Rosenmarienkloster soll sie dann. Juchheissasa, Pilatus."
„So nehmt nun hin die erste Tochter. Juchheissasa, Pilatus" usw.
Inzwischen ist natürlich den Männern und Burschen der Gaumen
irocken geworden, — man legt „'ne Kleinigkeit" zusammen, das heißt auf
jeden Kopf einen halben, wenn's hoch kommt einen ganzen Mariengroschen
oder acht Pfennig, und sendet mit dem Ergebnis den Eilfertigsten zum
Kruge. Wenige Minuten vergehen, und der Gesandte kommt zurück mit
einer dickbauchigen Korbflasche im Arm, gefüllt mit dem im Dorfe selbst
gebrannten Kornbranntwein. Man hat aber selbstverständlich auch an die
„Frauensleute" gedacht und für sie gleichzeitig ein Krüglein des süßen
braunen Kirsches mitbringen lassen.
Die dicke Flasche und der schmale Krug werden an die Hecke gestellt,
bis die noch wirbelnden Spiele beendet sind oder vielmehr, bis die Alten
sich den Schweiß von der Stirn trocknen und damit das Zeichen zur
Pause geben.
Und jetzt die Pause! Die einzelnen Kreise lösen sich auf, und die
Männer und Frauen bilden je für sich regelmäßige Reihen, damit beim
Kredenzen des Trunkes keiner übergangen werden kann. Mit fröhlichem
Danke nehmen die Frauen das Krüglein entgegen, und unter großer Aus¬
gelassenheit, unter weithin tönendem Scherzen und Lachen wandert das
kleine Stutzglas von Hand zu Hand.
Dann beginnt das lnstvolle Spiel auf allen Seiten von neuem und
dauert, bis — das liebe Vieh zur Tränke geführt werden muß. Und