Full text: [Teil 4 = Kl. 5 u. 4] (Teil 4 = Kl. 5 u. 4)

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die Kreise, Hüpfen die langen, bunten Reihen, laufen die Scharen. Kein 
Spiel, ja keine Bewegung, die nicht durch ein lustiges, wenn auch oft sehr 
rätselhaftes Liedchen begleitet würde, oder zu dem nicht ein jauchzender 
Ruf ertönte, wie: 
„Miene Mutter hät eseggt, eck soll deck fau'n dick, dick, dick Brot 
geben!" (Meine Mutter hat gesagt, ich sollte dir so 'n dick, dick, dick 
Brot geben!) 
Oder: „Süh deck nech ümme, dei Puck dei kümmt, 
Süh deck wohl vor, hei sleit 'r herdor." 
(Sieh dich nicht um, der Puck der kommt, 
Sieh dich wohl vor, er schlägt hindurch.) 
Oder: „Krup (kriech'), Jäger, durch den Busch, 
Wir woll'n ein Hirschlein jagen." 
Oder: „Wir wollen nun haben die erste Tochter, Juchheissasa, Pilatus." 
„Was wollt ihr mit der ersten Tochter? Juchheissasa, Pilatus." 
„Wir wollen sie in das Kloster haben! Juchheissasa, Pilatus." 
„In was sür'n Kloster soll sie denn? Juchheissasa, Pilatus." 
„Ins Rosenmarienkloster soll sie dann. Juchheissasa, Pilatus." 
„So nehmt nun hin die erste Tochter. Juchheissasa, Pilatus" usw. 
Inzwischen ist natürlich den Männern und Burschen der Gaumen 
irocken geworden, — man legt „'ne Kleinigkeit" zusammen, das heißt auf 
jeden Kopf einen halben, wenn's hoch kommt einen ganzen Mariengroschen 
oder acht Pfennig, und sendet mit dem Ergebnis den Eilfertigsten zum 
Kruge. Wenige Minuten vergehen, und der Gesandte kommt zurück mit 
einer dickbauchigen Korbflasche im Arm, gefüllt mit dem im Dorfe selbst 
gebrannten Kornbranntwein. Man hat aber selbstverständlich auch an die 
„Frauensleute" gedacht und für sie gleichzeitig ein Krüglein des süßen 
braunen Kirsches mitbringen lassen. 
Die dicke Flasche und der schmale Krug werden an die Hecke gestellt, 
bis die noch wirbelnden Spiele beendet sind oder vielmehr, bis die Alten 
sich den Schweiß von der Stirn trocknen und damit das Zeichen zur 
Pause geben. 
Und jetzt die Pause! Die einzelnen Kreise lösen sich auf, und die 
Männer und Frauen bilden je für sich regelmäßige Reihen, damit beim 
Kredenzen des Trunkes keiner übergangen werden kann. Mit fröhlichem 
Danke nehmen die Frauen das Krüglein entgegen, und unter großer Aus¬ 
gelassenheit, unter weithin tönendem Scherzen und Lachen wandert das 
kleine Stutzglas von Hand zu Hand. 
Dann beginnt das lnstvolle Spiel auf allen Seiten von neuem und 
dauert, bis — das liebe Vieh zur Tränke geführt werden muß. Und
	        
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