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gemacht habe?“ Der Kater hatte aufmerksam zugehört; aber da er
die Not seines Herrn sah, war er über das Los, getötet zu werden,
gar nicht erzürnt. Er machte ein ernstes, entschlossenes Gesicht
und sprach: „Seid nicht so traurig! Gebt mir nur einen leeren
Mehlsack und ein Paar Stiefel, mit denen ich über Stock und Stein
springen kann, und Ihr sollt bald sehen, daß Ihr nicht so arm seid,
als ihr glaubt.“ Ob dieser Worte verwunderte sich der arme
Müllerbursche gar sehr; doch als er an die große Schlauheit seines
Katers dachte, der sich mit den Hinterfüßen an einen Kleiderhaken
hängte oder sich wie tot in eine Mehlkiste legte, um Ratten und
Mäuse zu fangen, zog die Hoffnung, durch sein Tier aus dem Elend
befreit zu werden, wie ein flüchtiger Sonnenstrahl durch seine
Gedanken, und er gab ihm, was er verlangte.
Mutig zog der Kater die Stiefel an, warf den Sack über seine
Schulter, nahm die Schnüre in die Vorderpfoten und ging in ein
Gebüsch, wo er Kaninchen in großer Zahl gesehen hatte. Er
breitete den Sack aus, tat frische Kohlblätter hinein und legte sich
wie tot daneben. Es dauerte auch nicht lange, so kam ein junges,
unerfahrenes Kaninchen herbei und schnupperte an seiner Lieb¬
lingsspeise. Schnell zog der gestiefelte Kater die Falle zu,
ergriff den Gefangenen und tötete ihn. Darauf ging er zum
König und verlangte ihn zu sprechen. Man führte ihn die
Treppe zu dem Thronsaal hinauf. Dort saß der König mit
Krone und Zepter. Der Kater verneigte sich tief und sprach;
„Der Graf von Carabas — so nannte er seinen Herrn — hat
mir befohlen, Euch ein Kaninchen aus seinem Wildgarten zu
überreichen.“ Der König dankte freundlich, und der Kater ging
stolz von dannen.
Bald darauf versteckte sich der Kater bei einem Getreidefeld;
der Sack lag geöffnet neben ihm, und die Schnüre hielt er, zum
Zuziehen bereit, in den Vorderpfoten. Ein paar Rebhühner kamen
sorglos daher; er fing sie und brachte sie gleichfalls dem Könige
als ein Geschenk seines Herrn, des Grafen von Carabas. Der
König empfing die schmackhaften Vögel mit großer Freude und
ließ dem Kater einen guten Botenlohn reichen. Derselbe fuhr
nun fort, dem Könige von Zeit zu Zeit Wildbret aus dem Gehege
seines Herrn zu bringen.
Da begab es sich, daß der König eines Tages mit seiner
Tochter, der allerschönsten Prinzessin, die man nur sehen konnte,