Die Handlanger schaffen Sand und Kalk herbei und mengen den
Mörtel, die Steinmetzen behauen die Steine, die Maurer fügen sie nach
dem Richtmaß und Senkblei sorgsam aneinander. Der Meister beaufsichtigt
das Ganze, und in seiner Abwesenheit sorgt der oberste Gesell, der Polier,
dafür, daß alles genau so ausgeführt werde, wie der Banriß es vorschreibt.
Während die Maurer ihr Werk an Ort und Stelle fördern, sind die
Zimmerleute auf ihrem Arbeitsplätze tätig. Sie richten das Balkenwerk
zu, das innen ins Haus kommt, und das den Dachstuhl bilden soll, sorgen
für Türgewände, Fachwerk und Treppen.
Sind die Maurer mit den Hauptmauern fertig, fo wird das Dach¬
gerüst aufgerichtet. Die Handwerker feiern ein fröhliches Fest. Der Werk¬
meister hält vom Dachgiebel aus eine Rede und wünscht den künftigen
Bewohnern Segen und Glück. Ein grüner Baum, eine Krone aus Laub
und Blumen, auch wohl farbige Fahnen flattern vom Hausfirst, und der
Jubelruf der heiteren Gesellen verkündet der Nachbarschaft das gelungene
Werk. Sie haben wohl Ursache, fröhlich zu fein. Nicht nur ist es oft
mit mancherlei unvorhergesehenen Schwierigkeiten verbunden, den auf dem
Papier entworfenen Plan auch in der Wirklichkeit auszuführen, das Auf¬
richten der schweren Banstücke ist auch mit vielerlei Gefahren verknüpft.
Nicht fo selten sind leider die Fälle, daß Zimmerleute oder Maurer hinab¬
stürzten und entweder sofort ihren Tod fanden oder wenigstens schwere
Verwundungen davontrugen. Es ist Ursache genug vorhanden zum Jubel,
wenn das Aufrichten ohne Unglücksfall ablief.
Haben Maurer und Zimmerleute ihr Werk beendet, fo setzen sich Dach¬
decker, Schlosser, Tischler, Maler und Tapezierer in Tätigkeit, bis endlich
alles so weit fertig und trocken ist, daß die Eigentümer einziehen können.
Mit tausend Fäden knüpft sich das Gemüt des Kindes au das elter¬
liche Haus. In den Räumen, in welchen das Kind geboren ward und
aufwuchs, kennt es jedes Winkelchen. Mit wie vielen scheinbar unbedeu¬
tenden Gegenständen verbinden sich nicht Erinnerungen an bestimmte Er¬
lebnisse! Gewöhnlich merkt das Kind diese geheimnisvolle Gewalt erst,
wenn es später vom elterlichen Hause entfernt ist oder nach längerer
Trennung in dasselbe zurückkehrt.
flßorgenlud. Von Heinrich I)offmann von fallcrslcbcn.
Gedichte. 9. Auflage. Berlin 1887. S. 221,
1. Die Sterne sind erblichen
mit ihrem güldnen Schein,-
bald ist die Nacht entwichen,
der Morgen dringt herein.
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