Full text: [Teil 3 = Kl. 6] (Teil 3 = Kl. 6)

Die Handlanger schaffen Sand und Kalk herbei und mengen den 
Mörtel, die Steinmetzen behauen die Steine, die Maurer fügen sie nach 
dem Richtmaß und Senkblei sorgsam aneinander. Der Meister beaufsichtigt 
das Ganze, und in seiner Abwesenheit sorgt der oberste Gesell, der Polier, 
dafür, daß alles genau so ausgeführt werde, wie der Banriß es vorschreibt. 
Während die Maurer ihr Werk an Ort und Stelle fördern, sind die 
Zimmerleute auf ihrem Arbeitsplätze tätig. Sie richten das Balkenwerk 
zu, das innen ins Haus kommt, und das den Dachstuhl bilden soll, sorgen 
für Türgewände, Fachwerk und Treppen. 
Sind die Maurer mit den Hauptmauern fertig, fo wird das Dach¬ 
gerüst aufgerichtet. Die Handwerker feiern ein fröhliches Fest. Der Werk¬ 
meister hält vom Dachgiebel aus eine Rede und wünscht den künftigen 
Bewohnern Segen und Glück. Ein grüner Baum, eine Krone aus Laub 
und Blumen, auch wohl farbige Fahnen flattern vom Hausfirst, und der 
Jubelruf der heiteren Gesellen verkündet der Nachbarschaft das gelungene 
Werk. Sie haben wohl Ursache, fröhlich zu fein. Nicht nur ist es oft 
mit mancherlei unvorhergesehenen Schwierigkeiten verbunden, den auf dem 
Papier entworfenen Plan auch in der Wirklichkeit auszuführen, das Auf¬ 
richten der schweren Banstücke ist auch mit vielerlei Gefahren verknüpft. 
Nicht fo selten sind leider die Fälle, daß Zimmerleute oder Maurer hinab¬ 
stürzten und entweder sofort ihren Tod fanden oder wenigstens schwere 
Verwundungen davontrugen. Es ist Ursache genug vorhanden zum Jubel, 
wenn das Aufrichten ohne Unglücksfall ablief. 
Haben Maurer und Zimmerleute ihr Werk beendet, fo setzen sich Dach¬ 
decker, Schlosser, Tischler, Maler und Tapezierer in Tätigkeit, bis endlich 
alles so weit fertig und trocken ist, daß die Eigentümer einziehen können. 
Mit tausend Fäden knüpft sich das Gemüt des Kindes au das elter¬ 
liche Haus. In den Räumen, in welchen das Kind geboren ward und 
aufwuchs, kennt es jedes Winkelchen. Mit wie vielen scheinbar unbedeu¬ 
tenden Gegenständen verbinden sich nicht Erinnerungen an bestimmte Er¬ 
lebnisse! Gewöhnlich merkt das Kind diese geheimnisvolle Gewalt erst, 
wenn es später vom elterlichen Hause entfernt ist oder nach längerer 
Trennung in dasselbe zurückkehrt. 
flßorgenlud. Von Heinrich I)offmann von fallcrslcbcn. 
Gedichte. 9. Auflage. Berlin 1887. S. 221, 
1. Die Sterne sind erblichen 
mit ihrem güldnen Schein,- 
bald ist die Nacht entwichen, 
der Morgen dringt herein. 
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