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Abschied nahm: „Ich danke, dn Thenerste, meinem Erlöser, daß ich dich
nicht überlebe. Kein Mann hat je eine treuere und frömmere Frau ge¬
habt; habe Dank, daß du oft meinen Zorn besänftigt, mir nützlichen Rath
ertheilt, mich von Unbilligkeit zur Gerechtigkeit geführt und zur Barm¬
herzigkeit gegen die Unterdrückten ermahnt hast. Jetzt empfehle ich dich
und unsere Kinder, sammt meiner aus dem Körper entfliehenden Seele,
dem allmächtigen Gott und der Fürbitte seiner Auserwählten."
Da stürzte Mathilde hinweg nach der Kapelle und bat Gott um
Erhaltung des theuren Gemahls. Noch hatte sie ihr Gebet nicht geendet,
da erschien auch schon der Presbyter Aldedag, um die erste Messe für den
eben verschiedenen König zu halten. Mathilde kehrte, vom Gebete getröstet,
zurück an's Sterbelager und ermahnte hier ihre weinenden Söhne, zu leben
in der Furcht Gottes und im Gehorsam gegen seine Gebote.
Wir aber wollen, wenn wir unsere Städte mit ihren Herrlichkeiten
sehen, oder wenn wir von den ruhmvollen Thaten des Mittelalters lesen,
mit treuem Herzen daran denken, daß wir dies Alles dem König Heinrich
zu dauken haben. Mit Recht sagt einer unserer Geschichtschreiber: Grie¬
chenland würde Heinrich unter die Götter versetzt haben.
Otto I. (955 n. Chr.)
1.
Also huldigten die Fürsten und die edlen Herren dem Königssohne
Otto; von ihnen begleitet, brach dieser nach Quedlinburg auf und fuhr
nach Aachen. Dort erneuerten die Herzöge von Baiern, Schwaben, Fran¬
ken und Lothringen mit den andern Großen des Reichs in einer Halle
neben dein Dom am 8. August 936 die Wahl und schwuren dem Otto
Treue und Lehnspflicht. Dann schritten sie mit ihm in den Dom, wo
die Geistlichkeit und das Volk versammelt waren. Und der Erzbischof
Hildebert von Mainz, als erster Kirchenfürst von Deutschland und als
Erzkanzler, nahete dem jungen König mit der Insul auf dem Haupte und
dem Hirtenstabe in der Hand, führte ihn in die Mitte des Domes, zeigte
ihn allem Volk und sprach: „Seht hier Otto, welchen Gott zum König
ausersah, weiland Herr Heinrich dazu empfahl und die Fürsten der Reiche
erkoren haben. Gefällt euch die Wahl, so erhebe jeder von euch seine
rechte Hand!" Da hob das Volk frohlockend die Hände auf und nun
fährte der Erzbischof den König zum Altar, wo die Reichskleinodien lagen.
Er umgürtete ihn mit dem Schwerte Kaiser Karl's des Großen und sprach
zu ihm: „Nimm und führ' es den Feinden Christi zum Schrecken, der
Christenheit zum Heil." Dann that er ihm den Kaisermantel und die
Armringe an mit den Worten: „Bleibe, in den heiligen Glauben gehüllt,
getreu bis in den Tod und erhalte den Frieden." Hierauf legte er ihm
das Scepter und den Stab in die Hände, salbte ihn mit dem geweihten
Oele und sprach dazu: „Herrsche recht als Vater über deine Unterthanen,
schütze die Diener Gottes, die Wittwen und Waisen; das Oel der Barm-