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gleich erschien ein neuer Legat mit der Antwort, er müsse ihn durchsetzen
bei Verlust seiner Würde. Der Erzbischof berief seine Geistlichen zu einer
neuen Versammlung, auf der es aber so stürmisch herging, daß Beide,
der Erzbischof und der Legat, in Lebensgefahr geriethen. Doch Gregor
blieb standhaft; er nahm nichts zurück und wenige Jahre nachher war die
Ehelosigkeit bei allen Geistlichen durchgesetzt.
Durch diese Einrichtungen gewann der Papst unendlich an Macht.
Kein Geistlicher war fortan noch an seinen Landesherrn gebunden, keiner
durfte wegen Weib und Kind des Staates Schutz und Hülfe suchen, keiner
brauchte die weltlichen Herren zu fürchten. Alle waren an den Papst ge¬
knüpft, von dem sie Alles zu hoffen und zu fürchten hatten. So bildeten
die Geistlichen einen großen Staat, der in allen Ländern der Christenheit
seine Wurzeln und Zweige hatte, aber vom Papste in Rom sein Leben und
sein Gesetz erhielt. Das Volk ehrte in den Befehlen des Papstes das
Wort Gottes und die Fürsten wagten nicht zu widersprechen, denn der
Papst hatte ja die Macht, die Völker ihres Eides gegen den Landcsherrn
zu entbinden, oder gar über ein ganzes Land das Interdikt zu verhängen.
Dann verstummten alle Glocken, keine Messe ward mehr gelesen, alle
Kirchen wurden geschlossen; kein feierliches Leichenbegängniß ward gehalten,
keine Ehe eingesegnet. Der Zorn Gottes lastete auf dem unglücklichen
Lande. Mit solchen Waffen stritten die Päpste und diese Waffen waren
stärker als Spieß und Schwert.
4. Heinrich IV. gegen Gregor VII.
Gregor nahm die Klagen der Sachsen bereitwillig auf und warnte
den Kaiser. Allein dieser, voll Stolz über seinen Sieg, wies alle War¬
nungen und Ermahnungen mit Spott und Hohn zurück. Da erschienen
plötzlich päpstliche Legaten vor ihm mit dem päpstlichen Befehl, er solle
sich binnen 60 Tagen in Rom vor ein geistliches Gericht stellen, um
Rechenschaft zu gebeu über die wider ihn erhobenen Beschuldigungen. Wo¬
fern er das nicht thäte, würde er an demselben Tage mit dem apostolischen
Fluche beladen ans der Kirchengemeinschaft ausgestoßen werden.
Heinrich war wüthend über ein solches Ansinnen des Papstes und
jagte dessen Gesandte mit Schimpf aus dem Lande. Sogleich berief er
die deutschen Bischöfe nach Worms und hatte die Freude, daß diese Kirchen-
versamnllnng für die Absetzung des Papstes stimmte. Nun meinte der
Kaiser, aller Gefahr überhoben zu fein; hatte doch sein Vater auch mehrere
Päpste abgesetzt. Aber er vergaß, daß er kein Heinrich III. und Gregor
kein gewöhnlicher Papst sei. Das Absetzungsschreiben übergab er nun
einem muthvollen Gesandten und schickte diesen nach Rom, indem er ihm
zugleich noch einen derben Brief mitgab. Eben hatte Gregor die ange¬
kündigte Versammlung der Kardinäle eröffnet, als der Gesandte ankam.
Gregor saß im päpstlichen Ornate auf einem erhabenen Stuhle, um ihn
herum die Bischöfe und Kardinäle. Alle erwarteten, der Gesandte werde
im Namen seines Herrn demüthig um Verzeihung bitten; aber wie groß