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gewann Rom auf's Neue und vertheidigte die Hauptstadt gegen Totilas
mit solcher Beharrlichkeit, daß er, als es an Wurfgeschoß mangelte, sogar
die schönsten Bildsäulen auf die Belagerer herabschleudern ließ.
Nun aber bestürmten die Feinde Belisar's abermals den Kaiser und
suchten ihm den Argwohn beizubringen, der Feldherr wolle sich zum Allein¬
herrscher von Italien machen. Justinian rief wiederum den Belisar zurück,
und abermals gewann Totilas Rom, ja noch ganz Sicilien dazu. Doch
die Flotte der Gothen ward geschlagen, und zu Land kam der neue Feldherr
Narses, ein Kämmerling des Kaisers, klein und schwächlich, aber großen
Geistes und tapferen Muthes. Der brachte ein wohlgerüstetes Heer mit,
und am Fuße der Apenninen, in jener Gegend, wo einst Kamillus die
Gallier geschlagen hatte (bei Taginae), trafen beide Feinde aufeinander.
Totilas hatte den Gothen verboten, sich der Pfeile oder irgend eines
andern Geschosses zu bedienen, nur die Speere sollten sie brauchen, nur
im Handgemenge kämpfen, damit die Kraft und der Muth des einzelnen
Mannes entscheide Dieses Verbot war edel, aber nicht klug, weil dadurch
die Seinigen den Kaiserlichen nachstehen mußten; denn diese bedienten sich
der verschiedenen Waffen, wie es die Umstände erheischten. Die gothische
Reiterei stürmte ungestüm vorwärts, ohne daß die Fußgänger ihr folgen
konnten, und vertrauete ihren Speeren; aber ihre Kühnheit war blind und
bald mußte sie die Folgen derselben empfinden. Sie-bemerkten nicht, daß
die Enden des Halbmondes, in welchem die Bogenschützen aufgestellt waren,
sich einander näherten und sie einschlössen. Als aber die Pfeile von beiden
Seiten in ihre Reihen flogen, merkten sie bald ihre Thorheit. Sie hatten
schon viele Menschen und Pferde verloren, bevor sie nur mit dem Feinde
recht zusammen gekommen waren, und mit Mühe zogen sie sick auf ihre
Schlachtreihe zurück.
Nun aber begann der gewaltige Andrang der Kaiserlichen gegen die
Reihe der Gothen, und die Römer wetteiferten mit ihren Bundesgenossen
an Tapferkeit. Der Tag neigte sich, da wurden die Gothen verzagt, denn
sie waren zurückgedrängt von der Uebermacht der Feinde. Es wurde immer
dunkler, aber die Römer metzelten ohne Erbarmen Alles nieder. Sechs¬
tausend Gothen blieben in diesem Treffen, und die, welche sich den Kaiser¬
lichen ergaben, wurden alle getödtet. Totilas floh in die Nacht mit fünf
seiner Getreuen; die Feinde setzten ihm nach, ohne zu wissen, wer die
Flüchtigen wären. Unter den Kaiserlichen war auch ein Gepide, Namens
Asbad. Dieser war dem Gothenkönige zunächst und zielte mit dem Speer
ans den Rücken des Helden. Ein gothischer Jüngling sah die Gefahr und
hieb nach dem Feinde, doch es war zu spät; Totilas war tödtlich getroffen.
Aber er ritt noch eine lange Strecke, bis ihn seine Freunde vom Pferde
hoben; sie wollten seine Wunde verbinden, aber er starb unter ihren Händen.
Da machten die Gothen ein Grab und legten ihren unglücklichen König hinein.
Die Kaiserlichen wußten noch nicht, daß Totilas gefallen sei, bis es
ihnen eine gothische Frau, die in der Nähe gewesen war, erzählte. Die
Römer nannten das eine Lüge, bis sie den frischen Grabhügel erblickten.