Full text: Das Mittelalter (Theil 2)

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nur ein halber Mann, Narses; d'rum nimm die Spindel und ich will dich 
zum Aufseher der Mädchen machen, wenn sie am Rocken sitzen!" — „Und 
ich will dir ein Gespinnst über's Haupt Wersen, o Kaiserin, dessen du 
nicht mehr ledig werden sollst", rief Narses im Grimm, und schickte stracks 
zu den Longobarden, sie möchten herbeikommen und Italien, in welchem sie 
bereits gegen die Gothen so wacker gefochten, für sich selbst erobern. Des 
Narses Botschafter brachte ihnen köstliche Früchte als Wahrzeichen, und 
jene aus dem Volke, welche mit Ruhm und Beute aus dem Feldzuge 
wieder gekommen waren, priesen nun ihren Brüdern daheim die Schönheit 
des Laudes uud die Milde des Himmels. Da schwoll dem Könige Alboin 
das Herz vor Lust; er vertrug sich mit seinen Nachbarn, den Avaren, und 
überließ ihnen das Land, in welchem die Longobarden 42 Jahre lang ge¬ 
wohnt hatten. Dann lud er die Sachsen, alte Freunde seines Volks, 
zur Heerfahrt ein; es kamen ihrer 20,000 mit Weib und Kind. Mit 
diesen vereinigt zogen nun die Longobarden, von Alboin angeführt, im 
Jahre 568, gen Italien aus, und gewannen zuerst das Land, welches von 
den Flüssen Jsonzo, Tagliameuto, Piave, Brenta uud Etsch durchschnitten 
wird; darüber setzte Alboin einen Herzog. Daun eroberte er das Land 
von der Etsch bis zu den hohen Alpen Savoyens. Ueberall flohen die 
Römer in die festen Städte, nach Ravenna, wo der Statthalter des grie¬ 
chischen Kaisers Hof hielt, nach Rom und Genua. Pavia aber widerstand 
dem Alboin drei Jahre lang; da schwur der Held einen grimmigen Eid: 
„Wenn ich die Stadt einnehme, soll keine Meuschenseele darin dem Schwerte 
der Longobarden entrinnen." Im vierten Jahre endlich erstürmte das 
tapfere Volk die Stadt. Alboin selbst ritt auf einem weißen Rosse den 
Seinigen voran; doch als er nun in's Thor kam und den Befehl zum 
Morden geben wollte, stürzte sein Roß im Thore nieder. Es half kein 
Zuruf und kein Sporn, das Pferd blieb liegen uud wollte nicht weiter. 
Da trat ein weiser Mann zum Könige uud sprach: „Herr! Du hast ein 
zorniges Wort gesprochen, darum hemmt der Himmel selbst hier dein Roß, 
daß es nicht vorwärts gehen kaun. Nimm dein im Grimm gesprochenes 
Wort zurück und verzeihe der Stadt, die sich so wacker vertheidigt hat; 
daun wird auch dein Roß weiter gehen können." Daun besaun sich Alboin 
eine Weile und blickte gen Himmel; dann sprach er: „Ich will zurück¬ 
nehmen, was ich im Zorn gesprochen habe, und der Stadt ihren kühnen 
Muth verzeihen." Nun erhob sich sogleich das Pferd uud der König zog 
in die Stadt, uud die Bürger nahmen ihn freudig auf. Pavia ward die 
Hauptstadt des neuen Lougobardenreichs, das bis an die Tiber sich erstreckte. 
3. Der Tod Alboin's und Rosanrundcns. 
Nachdem Alboin drei Jahre in Italien geherrscht hatte, ward er durch 
die Anschläge seiner Gemahlin Rosamunde getödtet. Als er nämlich eines 
Tages ein Fest gab und zu viel des süßen Weines trank, forderte er den 
Becher, welcher aus dem Schädel des Gepidenkönigs Kuuimund bereitet 
war. In seinem Uebermuthe ließ er diesen Becher bis oben mit Wein
	        
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